Mit Nachdruck macht sich der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen gegen Lockdown-Maßnahmen stark. Damit spricht er höchstens für eine kleine Minderheit der Niedergelassenen, wie Bayerns Hausärztechef Markus Beier klarstellt.

Es stimmt: Der Dauer-Lockdown stellt die Gesellschaft vor eine Zerreißprobe. Aber angesichts der weiterhin zu hohen Inzidenz und neuer, wohl ansteckenderer SARS-CoV-2-Varianten hat sich die Lage kaum verbessert. Die Entscheidung des Bund-Länder-Gipfels vom 19. Januar 2021, den Lockdown zu verlängern, ist somit aktuell leider alternativlos.

Der Lockdown muss aber auch in eine klar kommunizierte, nachhaltige und proaktive Langzeitstrategie übergehen. Genau diese vermissen wir Hausärztinnen und Hausärzte. Der Satz "Wir müssen mit dem Virus leben" ist grundverkehrt. Ziel muss es sein, möglichst keine Infektionen mehr zu haben, um Ansteckungen zu vermeiden, Menschenleben zu retten und negative Folge für die Wirtschaft sowie weitere Kollateralschäden zu verhindern.

Wenig zielführend sind dabei die wiederholten und medial sehr exponierten Äußerungen des KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Gassen. Mitte Januar hatte er sich im "Bild"-Interview abfällig über die Corona-Maßnahmen der Bundes- und der Länderregierungen geäußert und wörtlich gesagt: "Der Lockdown, der jetzt seit Anfang November anhält, hat quasi nichts gebracht. Die Todeszahlen sind unverändert hoch. Der Schutz der Risikogruppen ist immer noch beschämend schlecht."

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© SvenSimon / picture alliance

Lockdown in der Münchner Innenstadt.

In einem fälschlicherweise als "Gemeinsame Position von Wissenschaft und Ärzteschaft" deklarierten Thesenpapier hat Gassen schon im Oktober letzten Jahres mit weitgehend unwissenschaftlichen Allgemeinplätzen und einer zynischen Argumentationskette effektivere Lockdown-Maßnahmen mitverhindert. Gerade solche Maßnahmen hätten auch die Bewohner der Alten- und Pflegeheime sowie andere vulnerable Gruppen geschützt.

Völlig unrealistisch sind dagegen Vorstellungen, gezielt nur Risikogruppen - deren Anteil an der Bevölkerung bei ca. 40% liegt - schützen zu können. Im Übrigen können auch junge und bis dato gesunde Menschen an COVID-19 versterben oder nachhaltige Folgeschäden davontragen - das erleben wir tagtäglich in unseren Praxen.

Verantwortungsvolle Kommunikation

Um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen, ist es unumgänglich, Kontakte deutlich zu reduzieren. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Wie das ohne einen weitgehenden Lockdown gehen soll, hat Gassen bislang nicht erklärt. Stattdessen streut er Zweifel an den beschlossenen Maßnahmen. Dabei geht es gerade jetzt darum, alle Bürger bei Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung mitzunehmen, um eine Wirkung wie im Frühjahr 2020 zu erreichen. Das gelingt nur durch eine verständliche und verantwortungsvolle Kommunikation, nicht durch Zweifel und Verunsicherung.

Unsere Unterstützung hat die KBV bei ihren Bestrebungen, Impfungen in unsere Praxen anzubieten, sobald genügend hier einsetzbare Impfdosen verfügbar sind. Dazu müssen jetzt Vorbereitungen getroffen werden - z. B. durch eine unproblematische Dokumentation und eine Impfberatungsziffer.

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Dr. med. Markus Beier

Vositzender des Bayerischen Hausärzteverbands