Die Proteinurie hat zentrale Bedeutung in der Diagnostik jeder Nierenerkrankung. Sie bestimmt die renale und kardiovaskuläre Prognose entscheidend. Auch die Entstehung von Ödemen hat mit der Proteinurie zu tun, wie aus tierexperimentellen und klinischen Daten hervorgeht.

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© Dr. P. Marazzi / Science Photo Library

Durch Streifentests kann der Eiweißgehalt im Urin schnell beurteilt werden.

Die Proteinurie ist nicht nur ein früher Risikomarker für Nierenerkrankungen, sondern auch ein Risikofaktor sowohl für deren Fortschreiten als auch für eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität. Eine gesunde Niere hält Proteine aus dem Plasma zurück. Die Eiweißkonzention im Urin beträgt nur ein Tausendstel der Konzentration im Plasma. Noch kleiner ist der filtrierte Anteil beim Albumin. Insgesamt durchlaufen die Niere etwa 30.000 g Albumin pro Tag, im Urin ausgeschieden werden davon normalerweise weniger als 30 mg.

Proteinurie und GFR-Verlust synergistische Risikofaktoren

Alles, was darüber hinausgeht, weist auf eine Nierenerkrankung hin, sagt Prof. Ferruh Artunc, Universitätsklinikum Tübingen. Mit der Albuminurie steigt auch das Mortalitätsrisiko. Gleiches gilt für eine abnehmende glomeruläre Filtrationsrate (GFR).

Zur Klassifikation einer chronischen Nierenerkrankung gehören sowohl die GFR, bei der insgesamt 5 Stadien (G1-G5) unterschieden werden, als auch die Albuminurie mit 3 Stadien: A1: 10-29 mg/24 h, A2: 30-299 mg/24 h und A3: > 300 mg/24 h. Bei gleicher GFR erhöht die zunehmende Albuminurie das Risiko. Umgekehrt steigt dieses auch bei gleicher Albuminurie mit sinkender GFR. Gelingt es, die Proteinurie mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptorblockern um mehr als 30% zu senken, bessert sich die renale Prognose deutlich.

Filtrierte Serinproteasen richten Schäden an

Bei Nierenerkrankungen mit großer Proteinurie werden auch aktive Serinproteasen in den Urinraum filtriert. Diese bewirken durch Abspaltung bestimmter Fragmente eine proteolytische Aktivierung epithelialer Natriumkanäle (eNaC), welche vermehrt Natrium rückresorbieren. Damit werden Ödeme unterhalten, die zu Bluthochdruck und kardialer Dekompensation führen können. Mit Aprotinin ließ sich die eNaC-Aktivierung experimentell blockieren. Da Aprotinin mehrere Proteasen hemmen kann, wird erforscht, welche Protease exakt den Mechanismus der eNaC-Aktivierung verantwortet.

Auch Patienten mit nephrotischem Syndrom scheinen eine erhöhte proteolytische Aktivität im Urin aufzuweisen, die sich mit Aprotinin vermindern lässt. Mit steigendem G- und A-Stadium nimmt bei chronischen Nierenerkrankungen die Überwässerung zu. Je ausgeprägter die Proteinurie ist, desto mehr Wasser wird eingelagert. Eine sogenannte nephrotische Schwelle ist nicht erkennbar.

Direkter Angriff an der eNaC-Aktivierung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Proteasurie zu beeinflussen. Schon mit Senkung der Proteinurie durch RAS-Blocker nimmt auch die Proteasurie ab. Spironolakton hemmt die eNAC-Expression an der Membranoberfläche. Wichtig ist auch eine salzarme Ernährung. Darunter kann die eNaC-Aktivierung weniger Schaden anrichten. Es gibt mit Amilorid und Triamteren auch ältere Antihypertensiva, die eNaC direkt blockieren, aber dafür nicht zugelassen sind.

Im Tierversuch bei nephrotischen Mäusen funktionieren diese Medikamente sehr gut. Um auch klinische Evidenz zu schaffen, hat Artunc eine randomisierte Studie zur Ödembehandlung bei akutem nephrotischem Syndrom initiiert. Furosemid soll hier mit Amilorid verglichen werden.

Quelle: 55. Ärztekongress, Stuttgart, 2020