Bei einem 3 Jahre alten Jungen fiel seit Monaten eine Beugestellung des rechten Daumens auf. Mit dem Verdacht auf eine Strecksehnenruptur wurde er in der orthopädischen Sprechstunde vorgestellt. Dort ergab sich allerdings eine andere Diagnose.

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© A. Schuh

Bei der körperlichen Untersuchung zeigt sich eine fixierte Beugestellung im Endgelenk und eine tastbare Verdickung palmar in Höhe des Grundgelenks. Ein Sehnenriss lag nicht vor. Die Diagnose lautete Pollex flexus congenitus. Diese angeborene Fehlstellung wird von den Eltern häufig in den ersten beiden Lebensjahren bemerkt. Die Inzidenz wird mit 3/1.000 Geburten angegeben. In 25-33% der Fälle ist ein beidseitiges Auftreten zu verzeichnen.

Ursache der Beugefehlstellung ist eine knotige Verdickung der Beugesehne in Höhe des tunnelartigen Ringbands A1 (Notta'scher Knoten). Der Daumen wird im Endgelenk dauerhaft gebeugt gehalten und ist weder aktiv noch passiv zu strecken. Extrem selten liegt ein sogenanntes Schnappphänomen vor, wie dies bei Erwachsenen häufig zu beobachten ist ("schnellender Daumen"). Differenzialdiagnostisch ist an eine angeborene Aplasie oder an eine traumatische Durchtrennung der langen Daumenstrecksehne zu denken. In diesen beiden Fällen lässt sich aber das Daumenendgelenk problemlos passiv strecken und beugen, und es kann auch kein Sehnenknoten getastet werden. Weitere Differenzialdiagnosen sind z. B. Beugekontrakturen im Daumenendgelenk kleiner Kinder etwa als Verbrennungsfolge, Kamptodaktylien oder kontrahierte Daumendeformitäten ("clasped thumb").

Konservative Maßnahmen wie Schienenbehandlung oder Physiotherapie sind in der Regel erfolglos. Bei Kindern unter sechs Monaten kann der Spontanverlauf zunächst abgewartet werden, da zu diesem sehr frühen Zeitpunkt eine Spontanheilung durchaus eintreten kann. Goldstandard ist die operative Behandlung im Sinne einer Spaltung des Ringbands A1 in kurzer Vollnarkose spätestens bis zum 4. Lebensjahr, da sich die Fehlstellung später auch nach einer Op. oft nur inkomplett zurückbildet.

Der hier vorgestellte Patient wurde demgemäß rasch operiert, woraufhin sich die Fehlstellung tatsächlich komplett zurückbildete.

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Dr. med. Tobias Bidermann

Klinik für Unfallchirurgie, Klinikum Neumarkt, Nürnberger Str. 12, D-92318 Neumarkt i. d. OPf.

Prof. Dr. med. Alexander Schuh Dr. med. Libor Mada Dr. med. Philipp Koehl, MHBA

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz