Die ärztliche Leichenschau wird nicht zu Unrecht als "letzter Dienst des Arztes am Patienten" bezeichnet. Wesentliche Aspekte und Zielsetzungen der Leichenschau sind neben der sicheren Todesfeststellung die Aufdeckung möglicher strafbarer Handlungen, gesundheitspolitische Zwecke und epidemiologische Fragestellungen.

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Der Inhalt der Todesbescheinigung hat erhebliche strafrechtliche, erbrechtliche, versicherungsrechtliche und gesundheitspolitische Auswirkungen. Häufig bestehen Unklarheiten hinsichtlich der Definitionen und Vorgaben aus den Bestattungsgesetzen, die daher einleitend kurz erläutert werden sollen.

Mit der Reform der Bayerischen Bestattungsverordnung in 2021 wurden einige Neuerungen vorgenommen, so zum Umgang mit infektiösen bzw. hochkontagiösen Leichen. Das hat eine besondere Relevanz nicht nur für den Arzt, sondern auch für Bestatter, Obduktionspersonal und Angehörige. Immerhin versterben ca. 4% der Bevölkerung in Deutschland an Infektionskrankheiten. In den zwei folgenden Beiträgen werden die aktuellen Änderungen beleuchtet.

Berechtigt zur Leichenschau ist jeder approbierte Arzt, unabhängig von seiner Weiterbildung. Die Verpflichtung zur Leichenschau ist dabei in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Primär sind die niedergelassenen Ärzte und die Krankenhausärzte, jeweils für ihren Bereich, zur Durchführung verpflichtet. Not(dienst)ärzte sind meist insofern privilegiert, als dass sie sich auf die wesentlichen Feststellungen zu Todeseintritt, Todesart und Todesumständen beschränken und eine vorläufige Todesbescheinigung ausstellen können, wenn sichergestellt ist, dass ein anderer Arzt die vollständige Leichenschau übernehmen kann.

Todesfeststellung

Hinsichtlich der Todesfeststellung sind nur die "sicheren Todeszeichen" Totenflecken, Totenstarre, Fäulnis, nicht mit dem Leben zu vereinbarende Verletzung und - unter klinischen Bedingungen - der Hirntod diagnostisch sicher zu verwerten.

Am Ende der Leichenschau müssen Angaben zur Todesursache und zur Todesart getroffen werden.

Die AWMF-Leitlinie "Regeln zur Durchführung der ärztlichen Leichenschau" finden Sie unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/054-002.html

Todesursache

Die Feststellung der Todesursache stellt häufig dann ein gravierendes Problem dar, wenn der Verstorbene nicht unter ärztlicher Beobachtung verstarb. Dies ist meist jedoch nicht gegeben, sodass durch die Betrachtung von außen auf innere pathophysiologische Vorgänge geschlossen werden muss, was nur unscharf gelingen kann. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass bei Überprüfung der Todesursache durch Obduktionen selbst bei Kliniktodesfällen nur eine geringe Übereinstimmung zwischen Todesursache gemäß Todesbescheinigung und Obduktionsergebnis gegeben ist.

Die Todesursache ist in Form einer Kausalkette zu benennen. Ein typisches Beispiel ist:

1a) akutes Rechtsherzversagen als Folge

1b) einer Lungenthrombembolie als Folge

1c) einer Beinvenenthrombose.

Wenig sinnvoll erscheint dagegen die Attestierung eines "hypoxischen Hirnschadens als Folge einer Reanimation als Folge einer KHK". Wichtig für die Todesursachenstatistik ist die Zeile 1c.

Aus der Kausalkette ergibt sich letztlich dann auch die Todesart.

2/3 der Hausärzte machen weniger als 10 Leichenschauen pro Jahr.

Todesart

Natürlicher Tod

Wenn die Beinvenenthrombose durch ein Ovarialkarzinom bedingt wurde, liegt ein natürlicher Tod vor. Dies ist definitionsgemäß (gemäß AWMF-Leitlinie Leichenschau, Registernummer 054-002) dann der Fall, wenn der Tod völlig unabhängig von rechtlich bedeutsamen Faktoren eingetreten ist, und die Person an einer bekannten sowie konkret zu bezeichnenden Krankheit aus innerer Ursache verstorben ist, derentwegen sie von einem Arzt behandelt wurde und die das Ableben zu diesem Zeitpunkt vorhersehbar gemacht hatte.

Nichtnatürlicher Tod

Wenn am Anfang der Kausalkette eine Oberschenkelfraktur mit Immobilisierung steht, dann liegt hingegen ein nichtnatürlicher Tod vor, charakterisiert als Tod durch "Unfall, Selbstmord, Tod durch strafbare Handlung oder sonstige Gewalteinwirkung". Für dessen Benennung reichen Anhaltspunkte aus (s. auch Kasuistik I auf S. 41).

Ungeklärte Todesart

Wenn der Arzt nach sorgfältiger Untersuchung der Leiche weder natürlich noch Anhaltspunkte für nichtnatürlich attestieren kann, hat er in den meisten Bundesländern auf ungeklärt zu entscheiden. In den beiden letzten Alternativen muss er die Ermittlungsbehörden informieren.

Druck durch Ermittlungsbehörden

Seitens der Ermittlungsbehörden wird nicht selten ein gewisser Druck auf den Leichenschauer im Hinblick auf die Attestierung eines natürlichen Todes ausgeübt (s. Kasuistik III, S. 47). Zweifellos ist es nicht zuletzt aufgrund der personellen Ausstattung der Ermittlungsbehörden weder sinnvoll noch möglich, jeden Todesfall einer polizeilichen Untersuchung zuzuführen. Andererseits ist bei Zweifeln die (über-)vorsichtige Attestierung eines nicht geklärten oder nichtnatürlichen Todes wesentlich eher vertretbar als die leichtfertige Bescheinigung einer natürlichen Todesart.

Kompetenz und Sorgfalt des Leichenschauers sind hier gefragt. Es darf aber nicht ignoriert werden, dass die Fragestellung der Ermittlungsbehörden primär mit Suche nach einem Fremdverschulden diskrepant zu der des Leichenschauers ist, der völlig unabhängig von jeglicher Schuldfrage zu beurteilen und entscheiden hat.

Geldbuße durch Fehler bei der Leichenschau

Hinzu kommt, dass bei Fehlern bei der Leichenschau oder im Zusammenhang mit dem Ausfüllen von Todesbescheinigungen der leichenschauende Arzt eine Ordnungswidrigkeit (OWi) begehen kann, die mit einer Geldbuße belegt ist (s. Kasuistik II, S. 43). In München ergab eine Studie, dass in rund 0,1% der Fälle die Gesundheitsbehörde als Prüfinstanz der Todesbescheinigungen die Einleitung eines OWi-Verfahrens gegen den leichenschauenden Arzt anregte. Die Verfahren betrafen teils die fehlerhafte Durchführung der Leichenschau, überwiegend jedoch das Unterlassen der Verständigung von Polizei oder Staatsanwaltschaft bei erkennbar unklaren oder nichtnatürlichen Todesfällen. Dabei führt bei Weitem nicht jeder Fehler unmittelbar zu einem OWi-Verfahren; gemäß einer Studie des Gesundheitsreferats in München aus den Jahren 2010 bis 2013 waren 5-12% der Todesbescheinigungen fehlerhaft und mussten von den Ärzten nachgebessert werden.

Die häufigsten Fehler

Als häufigste Fehler werden benannt: Unleserlichkeit, unvollständige Daten des Verstorbenen, Fehlen der Angabe des zuletzt behandelnden Arztes, Fehlen des Stempels von Arzt, Einrichtung oder Praxis des Leichenschauers, Fehlen von Datum und Zeitpunkt der Leichenschau; fehlende Plausibilität von Sterbezeitpunkt und Zeitpunkt der Leichenschau, Todesart nicht angekreuzt, Fehlen der Angabe von sicheren Todeszeichen, Fehler bei den Todesursachen/Kausalketten. Möglicherweise kommt hier zum Tragen, dass eine mangelnde Übung der Ärzte vorliegt. 2/3 der Hausärzte machen weniger als 10 Leichenschauen/Jahr. Eventuell könnte hier der Besuch einer entsprechenden Fortbildungsveranstaltung etwas Sicherheit bringen.

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Prof. Dr. med. Matthias Graw

Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München