Auf Grundlage internationaler Beobachtungsstudien aus dem Microbleeds International Collaborative Network (MICON) mit 15.000 Patienten in 38 Kohorten wurde ein neuer Score für das Hirnblutungsrisiko nach einem Schlaganfall erstellt.

Die Patienten hatten initial einen ischämischen Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) erlitten und danach eine gerinnungswirksame Dauermedikation erhalten. Über ca. zwei Jahre lag die jährliche Inzidenz erneuter Infarkte bei 3,33% und von intrakraniellen Blutungen bei 0,57%. Als Einflussgrößen für Blutungen wurden Alter, Geschlecht und vorherige intrakranielle Blutungen, aber auch die ethnische Herkunft und die Anzahl zerebraler Mikroblutungen im MRT identifiziert. Bei ischämischen Schlaganfällen wurden zudem die gerinnungswirksame Medikation, Diabetes sowie ältere Hirninfarkte berücksichtigt.

So entstanden zwei statistische Modell zur Einschätzung des Risikos von intrakraniellen Blutungen (MICON-ICH) und Rezidivinfarkten (MICON-IS). Eine Prüfung der Voraussagequalität mit Harrell's C-Index, bei dem ein Wert von 1 ideal wäre und ein Wert von 0,5 bedeutet, dass der Score rein zufällige Resultate produziert, ergaben sich Werte von 0,73 (95%-Konfidenzintervall: 0,69-0,77) für MICON-ICH und 0,63 (0,62-0,65) für MICON-IS.

Quelle: Best JG, Ambler G, Wilson D et al. Development of imaging-based risk scores for prediction of intracranial haemorrhage and ischaemic stroke in patients taking antithrombotic therapy after ischaemic stroke or transient ischaemic attack: a pooled analysis of individual patient data from cohort studies. Lancet Neurol. 2021;20:294-303

MMW-Kommentar

Der MICON-ICH-Score ist dem geläufigen HASBLED-Score bei der Einschätzung des Blutungsrisikos nach ischämischem Schlaganfall bzw. TIA überlegen. Die wesentliche Neuerung ist die Einbeziehung der Anzahl zerebraler Mikroblutungen, die als Marker der vaskulären Fragilität (z. B. bei Amyloidangiopathie) oder hypertensiven Mikroangiopathie gewertet werden. Ein Vorteil für die Praxis ist die Anwendbarkeit sowohl bei Patienten unter Thrombozytenfunktionshemmung als auch unter Antikoagulation mit oder ohne Vorhofflimmern. Eine externe Validierung ist noch wünschenswert. Der MICON-IS indes verbessert die Risikoeinschätzung von Rezidivinfarkten nicht wesentlich.

figure 1

Dr. med. S. Drahn

Abteilung für Neurologie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin