Es gibt eine weitere Möglichkeit, die Unfallversicherung für die Versorgung eines Coronapatienten in Anspruch zu nehmen, wenn eine Berufskrankheit nicht gegeben ist: Die Erkrankung kann einen Arbeitsunfall darstellen. Dafür müssen Sie allerdings einige Informationen einholen.

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COVID-19 nach Infektion im Hörsaal - ein Arbeitsunfall!

Die Einschaltung der Unfallversicherung setzt zunächst einmal voraus, dass die Infektion auch tatsächlich auf eine versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist. Neben einer beruflichen Beschäftigung kann das ein Schul- oder Hochschulbesuch sein, aber auch die Ausübung bestimmter Ehrenämter oder die Hilfeleistung bei Unglücksfällen.

In diesem Rahmen muss nachweislich ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person stattgefunden haben. Spätestens innerhalb von zwei Wochen muss dann die Erkrankung eingetreten bzw. die Ansteckung nachgewiesen worden sein. Die Intensität des Kontakts bemisst sich dabei vornehmlich nach der Dauer und der örtlichen Nähe.

Anhaltspunkte dafür, wann diese Form des Kontakts gegeben ist, geben die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel in der Fassung vom 7. Mai 2021 sowie die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts vom 31. März 2021. Demnach kann es zu einer Ansteckung kommen, wenn der Kontakt länger als zehn Minuten dauert, ohne dass die Beteiligten einen Mund-Nase-Schutz oder eine FFP2-Maske tragen. In Gesprächssituationen kann auch eine kürzere Zeitspanne ausreichen. Bei hohen Raumkonzentrationen infektiöser Aerosole kann man sich auch mit Maske anstecken.

Lässt sich kein intensiver Kontakt zu einer Indexperson feststellen, kann es im Einzelfall ausreichen, wenn es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld (z. B. innerhalb eines Betriebs oder einer Schule) nachweislich eine größere Anzahl von infektiösen Personen gegeben hat und konkrete, die Infektion begünstigende Bedingungen bei der versicherten Tätigkeit vorgelegen haben. Entscheidend sind dann etwa die Anzahl der infektiösen Personen, die übliche Zahl der Personenkontakte oder räumliche Gegebenheiten wie die Belüftungssituation und die Temperatur - aber auch z. B. geringe Infektionszahlen außerhalb des versicherten Umfeldes.

Auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg gelten dieselben Voraussetzungen, wenn man sich z. B. bei vom Unternehmen organisierten Gruppenbeför-derungen oder in einer Fahrgemeinschaft mit anderen Versicherten ansteckt. In Ausnahmefällen kann auch eine Infektion in Kantinen als Arbeitsunfall anerkannt werden. Der Aufenthalt dort ist zwar grundsätzlich nicht versichert, aber wenn die Essenseinnahme dort aus betrieblichen Gründen zwingend erforderlich oder unvermeidlich ist und zudem die Gegebenheiten wie Raumgröße und -höhe, Lüftung oder Abstandsmöglichkeiten eine Infektion befördern, kann ausnahmsweise ein Versicherungsschutz bestehen.

Ähnliches gilt für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Nur wenn diese Teil des unternehmerischen Konzepts ist und sich daraus eine besondere Infektionsgefahr ergibt, kommt eine Anerkennung als Arbeitsunfall infrage. Die Infektionsgefahr muss dabei über das Normalmaß hinausgehen und durch die Gegebenheiten begünstigt werden, etwa durch Mehrbettzimmer, Gemeinschaftswaschräume und -küchen oder schlechte Lüftung.

MMW-Kommentar

Wenn man dergestalt prüft, ob eventuell ein Arbeitsunfall vorliegt, muss man aber stets auch fragen, ob der Patient im maßgeblichen Zeitraum Kontakt zu Infizierten in nicht versicherten Lebensbereichen hatte, z. B. in der Familie, in der Freizeit oder im Urlaub. In jedem Einzelfall muss man alle Aspekte berücksichtigen, die für oder gegen eine Verursachung der COVID-19-Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit sprechen. Denn nur wenn dies der Fall ist, erfüllt die Infektion die gesetzlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls.