Chronische Diarrhö ist mit einer Prävalenz von ca. 5% in der westlichen Welt ein häufiges Leiden. Differenzialdiagnostisch kommen diverse Entzündungen, Störungen und Neoplasien infrage. Selten bedacht wird eine Gallensäuremalabsorption - zu Unrecht, wie eine kleine, aber feine Studie zeigt.

In einer monozentrischen, prospektiven Studie wurde bei 38 erwachsenen Patienten (18 weiblich, Durchschnittsalter 37,5 Jahre) mit einer chronischen Diarrhö unbekannter Genese zunächst eine umfassende Ausschlussdiagnostik durchgeführt. Danach wurde mittels radioaktiv markierter Tauroselcholsäure (75SeHCAT) auf eine Gallensäuremalabsorption getestet. Eine Retention < 10% war als positives Ergebnis definiert. Diese Patienten wurden mit Colestyramin behandelt; die initiale Dosierung von 3 g/d wurde dabei bis auf 12 g/d gesteigert.

52,6% der Patienten mit ungeklärter chronischer Diarrhö wiesen in der Studie eine Gallensäuremalabsorption auf.

Bei 17 Patienten, also bei 52,6%, war der 75SeHCAT-Test positiv. Sie unterschieden sich von den anderen lediglich durch einen höheren BMI-Schnitt (27,8 vs. 22 kg/m2). Sechs der positiven Patienten (35,3%) sprachen auf eine Behandlung mit Colestyramin an. Die anderen zeigten entweder keine Response oder beendeten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen. Die statistische Analyse ergab keine Variablen, die das Ansprechen auf Colestyramin vorhersagen konnten.

Quelle: Flores V, Martínez-Lozano H, o Bighelli F et al. Prevalence of biliary acid malabsorption in patients with chronic diarrhoea of functional characteristics: a prospective study. BMC Gastroenterol. 2021;21:56

MMW-Kommentar

Es ist nicht neu, dass chronischer Diarrhö häufig eine Gallensäuremalabsorption zugrunde liegt. Der Therapieversuch mit Colestyramin wird in Leitlinien oftmals als symptomatischer Therapieversuch empfohlen und das Ansprechen als positive Diagnosestellung angesehen. Dies ist sehr kritisch zu hinterfragen, denn die vorliegende Studie deckt auf, dass dieser Versuch lediglich bei einem Drittel der mit dem Goldstandard 75SeHCAT-Test diagnostizierten Patienten überhaupt erfolgreich ist.

Die Diagnostik ist aufwendig, der diagnostische Therapieversuch bei den Patienten unbeliebt. Dies sollte uns aber nicht daran hindern, diese Ursache einer chronischen Diarrhö konsequent zu bedenken. Wir sollten tatsächlich häufiger den 75SeHCAT-Test zur Hilfe nehmen. Diagnostische Alternativen sollten nicht das ausschlaggebende Argument sein, um den Test nicht durchzuführen. Des Weiteren sollten wir auch in der Therapie mit Colestyramin konsequenter sein. Alternativ steht mit Einschränkungen Colesevelam zur Verfügung. Damit ist die Toleranz der Patienten etwas besser.

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Prof. Dr. med. M. Storr

Zentrum für Endoskopie, Starnberg