Herzinfarkte können auch bei Patienten ohne klassische Risikofaktoren auftreten. Neu und kontraintuitiv ist, dass ihre Sterblichkeit im Vergleich zu Patienten mit Risikofaktoren erhöht ist.

Analysiert wurden Registerdaten aller 62.048 Patienten in Schweden, die zwischen 2005 und 2018 einen ersten ST-Hebungsinfarkt erlitten und zuvor noch keine koronare Herzerkrankung gehabt hatten. 14,9% von ihnen wiesen keinen klassischen Risikofaktor wie Hypertonie, Diabetes, Hypercholesterinämie oder Rauchen auf. Altersmäßig unterschieden sie sich nicht von der Gesamtkohorte.

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Für Frauen ist ein akutes Koronarsyndrom besonders gefährlich.

Die 30-Tage-Mortalität lag bei Infarktpatienten ohne Risikofaktoren um 47% höher als bei Risikopatienten (p > 0,0001), auch nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, linksventrikulärer Funktion, Kreatinin und Blutdruck. Frauen ohne Risikofaktoren hatten die höchste Mortalität (17,6%), gefolgt von Frauen mit Risikofaktoren (11,1%), Männern ohne (9,3%) und mit Risikofaktoren (6,1%). Die Einleitung einer medikamentösen Therapie mit ACE-Hemmern, Angiotensinrezeptorblockern, Betablockern oder Statinen bei der Entlassung wirkte sich positiv aus. Die Mortalitätsunterschiede blieben für Männer acht und für Frauen zwölf Jahre lang erhalten.

Quelle: Figtree GA, Vernon ST, Hadziosmanovic N et al. Mortality in STEMI patients without standard modifiable risk factors: a sex-disaggregated analysis of SWEDEHEART registry data. Lancet. 2021;397:1085-94

MMW-Kommentar

Die Studie zeigt das genaue Gegenteil des Erwarteten. Über die Ursachen kann man nur spekulieren - erstaunlich bei einer so häufigen Erkrankung. Infrage kommt etwa ein noch unentdeckter genetischer Defekt. Da die Studie deutliche Unterscheide zwischen Männern und Frauen aufzeigt, denkt man auch an hormonelle Unterschiede, obwohl die Datenlage widersprüchlich ist. Auch unrichtige Aussagen zu Rauchen, Gewicht, körperlicher Aktivität und Medikamenten sind denkbar.

Eine andere Erklärung deuten die Autoren an: Personen ohne Risikofaktoren erhalten weder Renin-Angiotensin-Hemmer noch Statine noch Betablocker. Vielleicht hat ein medikamentös gut behandelter Risikopatient eine bessere Prognose als eine unbehandelte Person ohne Risikofaktoren.

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Prof. Dr. med. H. Holzgreve

Internist, München