Eine Ansprache der Patientinnen und Patienten auf ihren Rauchstatus und die Ermutigung zum Rauchstopp sollten für Sie zu einer Selbstverständlichkeit werden. Im Folgenden werden effektive Behandlungsstrategien beschrieben, die in der Hausarztpraxis umgesetzt werden können.

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Rauchen tötet weltweit jeden zehnten Erwachsenen. Berechnungen zufolge werden es bis 2030 jeder sechste oder 10 Millionen Tote pro Jahr sein [1]. Trotz der hinreichend bekannten gesundheitsschädlichen Folgen und eines rückläufigen Trends der Prävalenz von Raucherinnen und Rauchern in den letzten Jahren, liegt die 30-Tages-Prävalenz unter Erwachsenen der deutschen Bevölkerung aktuell noch bei 23,3% und der tägliche Konsum bei 15,1% [2].

15,1% der Erwachsenen in Deutschland rauchen täglich.

Zudem scheint beim Auftreten einer Pandemie wie der aktuellen SARS-CoV-2-Infektionswelle das Suchtverhalten anzusteigen [3]. In einer Umfrage unter der Allgemeinbevölkerung in Deutschland gaben knapp 43% der Befragten an, seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr 2020 mehr zu rauchen als zuvor [4]. Dies unterstreicht die Wichtigkeit des Angebots von effektiven, ubiquitär anwendbaren therapeutischen Interventionen zur Tabakentwöhnung, auch in Ausnahmesituationen.

Die deutsche Leitlinie formuliert allgemeine Empfehlungen zur Behandlung der Tabakabhängigkeit [5]. Da Hausärztinnen und Hausärzte durch den regelmäßigen Kontakt zu Patienten eine zentrale Rolle in der Tabakentwöhnung spielen können, sollte eine Ansprache dieser auf ihren Rauchstatus und die Ermutigung zum Rauchstopp zur Selbstverständlichkeit werden.

Systematisches Screening im Rahmen der ärztlichen Behandlung

Als ein erster notwendiger Schritt bei der Behandlung wird die Identifikation des Rauchstatus gesehen. In hausärztlichen Praxen sollen sowohl im Rahmen eines ersten Kontakts als auch in regelmäßigen Abständen der Konsum von Zigaretten, der Einsatz von weiteren Produkten (Shishas, E-Zigaretten, Tabakerhitzern etc.) sowie die Entwöhnungsbereitschaft von Patienten systematisch erfasst und dokumentiert werden. Es hat sich gezeigt, dass ein gezieltes Screening die Interventionsrate erhöht, da Raucherinnen und Rauchern auf Basis des Rauchstatus und der Ausstiegsbereitschaft passende Strategien empfohlen werden können [6]. Um die Stärke der Abhängigkeit und damit das Rückfallrisiko abschätzen sowie eine individuelle wirksame Unterstützung planen zu können, soll der Fagerströmtest für Zigarettenabhängigkeit [7] eingesetzt werden.

Aktuelle AWMF-Leitlinie "Rauchen und Tabakabhängigkeit":

Den Fagerström Test für Zigarettenabhängigkeit finden Sie unter:

Kurzberatung

Zeigen sich Raucher im Rahmen des Screenings als aufhörbereit, sollen Ärzte zunächst eine niedrigschwellige Unterstützung in Form einer Kurzberatung anbieten. In dieser sprechen sie in der Regel die Empfehlung zum Rauchstopp aus und verweisen auf weiterführende Hilfsangebote. Die Wirksamkeit einer Kurzberatung durch Ärzte hat sich in einer systematischen Cochrane-Übersichtsarbeit gezeigt [8]. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die keine Beratung erhalten hat, war sie signifikant überlegen.

Die ABC-Methode

Bei der Kurzberatung können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Laut Leitlinie könnte sich im hausärztlichen Setting die ABC-Methode [9] mit folgenden Schritten eignen:

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Verhaltenstherapeutische Gruppeninterventionen haben in der Raucherentwöhnung nach aktueller Leitlinie den höchsten Empfehlungsgrad.

1. Ask: Abfragen und Dokumentation des Rauchstatus

2. Brief advice: Individuelle und motivierende Empfehlung zum Rauchstopp

3. Cessation support: Qualifizierte Unterstützung beim Aufhörwunsch oder der Verweis an qualifizierte weiterführende Hilfsangebote.

Weiterführende Hilfsangebote

Bezüglich der Weiterleitung an anerkannte Entwöhnungsangebote bietet das Rauchertelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Rauchern durch individuelle Telefonberatung Unterstützung beim Rauchausstieg. Über die kostenlose Rauchfrei-Hotline (0800 8313131) beraten und unterstützen geschulte Ansprechpartner bei allen Fragen rund um den Rauchstopp. Hier zeigte sich eine Beratung mit mindestens drei Folgeberatungen nach einem Jahr wirksamer als eine einmalige oder weniger intensive proaktive Beratung (Abstinenzraten: 34,4% vs. 21,3%) [10].

Zudem gibt es zahlreiche Apps zum Thema Rauchstopp, die sicherlich einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Tabakentwöhnung leisten könnten. Derzeit mangelt es noch an solchen, die wissenschaftlich evaluiert wurden und bei denen ein Nachweis ihrer Wirksamkeit vorliegt [11].

In den letzten Jahren wurde außerdem der Einsatz von E-Zigaretten bei der Tabakentwöhnung diskutiert. Im Hinblick auf die Wirksamkeit kommt eine aktuelle randomisierte kontrollierte Studie zu dem Ergebnis, dass Nutzerinnen und Nutzer von nikotinhaltigen E-Zigaretten nach 12 Monaten eine höhere Abstinenzrate (18%) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe erzielten, die andere Nikotinersatzprodukte konsumierte (9,9%) [12]. Einige aktuelle Studien belegen, dass der Schadstoffgehalt deutlich geringer ist als im Tabakrauch [13, 14]. Trotz des geringeren Schadstoffgehalts werden jedoch negative Auswirkungen des Konsums von E-Zigaretten wie beispielsweise der Anstieg der Herzfrequenz und das Auftreten von Arteriosklerose diskutiert [15].

Eine Empfehlung von E-Zigaretten zur Reduktion des Zigarettenkonsums und der Unterstützung der Tabakabstinenz gibt die Leitlinie aufgrund der noch unzureichenden Datenlage hinsichtlich Wirkung und Risiken nicht. Im Vergleich dazu empfiehlt die Dachgesellschaft Sucht (Deutsche Suchtgesellschaft - Dachverband der Suchtfachgesellschaften [DSG]) in ihrem Positionspapier die alleinige Verwendung der E-Zigarette anstelle der Tabakzigarette zur Risikominimierung bei nicht aufhörwilligen Rauchern bzw. bei Rauchern, bei denen die Erstlinientherapie ("First-Line-Therapy") unwirksam bleibt [13].

Verhaltenstherapeutische Interventionen

Benötigen und wünschen Raucher eine intensivere Behandlung, können Ärzte auf verhaltenstherapeutische Einzel- oder Gruppeninterventionen (ggf. in Verbindung mit Medikamenten) verweisen. Diese werden in der aktuellen Leitlinie mit dem höchstem Empfehlungsgrad empfohlen. Die medikamentöse Begleittherapie mit in Deutschland zugelassenen Medikamenten (Nikotin, Bupropion, Vareniclin und Cytisin) zur Unterstützung des verhaltenstherapeutischen Vorgehens wird v. a. bei körperlich abhängigen Rauchern zur Überwindung der Entzugssymptomatik nach Beendigung des Tabakkonsums und zur Stabilisierung der Abstinenz empfohlen [5]. Aktuell bietet das Deutsche Krebsforschungszentrum in Zusammenarbeit mit der BZgA eine umfassende Datenbank, in der Anbieter unterschiedlicher Einzel- und Gruppeninterventionen zu finden sind (https://www.anbieter-raucherberatung.de/).

Schulungen zum Rauchfrei Programm für Ärzte finden Sie auf der Webseite des RFPs unter "Kursangebote in Ihrer Nähe":

Das Rauchfrei Programm

Eine der in Deutschland angebotenen verhaltenstherapeutischen Gruppeninterventionen zur Tabakentwöhnung ist das "Rauchfrei Programm" (RFP). Das Konzept wurde vom Institut für Therapieforschung (IFT) mit Förderung der BZgA entwickelt. Es ist von der Zentralen Prüfstelle Prävention anerkannt. Somit sind die Kurse für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen nach §20 SGB V erstattungsfähig. Evaluationen des RFPs belegen eine Abstinenzrate von 31,8% nach 12 Monaten [16].

Das RFP wird in vier Kursarten angeboten: der Basiskurs (sechs Termine und zwei individuelle Telefonate) und der Kompaktkurs (drei Termine und zwei individuelle Telefonate) mit jeweils einem vorangegangenen Informationstreffen sowie der Tageskurs (ein Termin und ein individuelles Telefonat). Mit den verschiedenen Kursarten soll Tabakentwöhnung in verschiedenen Settings, z. B. dem ambulanten Bereich, im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung etc., ermöglicht werden. Bei dem speziell für das klinische Setting entwickelte Tabakentwöhnungsprogramm "Rauchfrei nach Hause!?" handelt es sich um ein sechs Sitzungen umfassendes, niedrigschwelliges und offen durchführbares Programm für rauchende Patienten in stationären Rehabilitationseinrichtungen.

Das RFP kombiniert in einem ganzheitlichen Ansatz neueste pädagogische und psychologische Konzepte der Motivationsforschung und Verhaltenstherapie und arbeitet mit einem festgelegten Rauchstopptag. In allen Kursarten findet der Rauchstopp nach sorgfältiger Vorbereitung während eines Treffens statt. Es werden die drei Phasen einer evidenzbasierten Tabakentwöhnung "Motivierung", "Vorbereitung und Unterstützung beim Rauchstopp" und "Stabilisierung der Abstinenz" durchlaufen. Dabei werden vielfältige, differenzierte Methoden zur Veränderung des Verhaltens angewendet. Schwerpunkte sind dabei kognitiv-emotionale Verfahren, mit denen ein Problembewusstsein aufgebaut, Einstellungen verändert und die Motivation gefördert werden soll. Es werden die Ambivalenz und Individualität der Teilnehmenden berücksichtigt und gleichzeitig die dysfunktionale Denkweise der Raucher bearbeitet. Die Verhaltensänderung wird durch ein zielorientiertes Vorgehen bei der Sicherung des rauchfreien Lebens gefördert, um das hohe Rückfallrisiko zu reduzieren.

Eine medikamentöse Begleittherapie zur Unterstützung des verhaltenstherapeutischen Vorgehens wird bei stark körperlich abhängigen Rauchern als Option berücksichtigt. Ergebnisse der Evaluation des RFPs haben jedoch gezeigt, dass eine begleitende Medikation zu keiner Verbesserung der Abstinenzquoten geführt hat [16].

Schulungen für Ärzte

Um Gruppenkurse nach dem Konzept des RFP durchführen zu können, bietet die IFT-Gesundheitsförderung regelmäßig Schulungen für Trainerinnen und Trainer an. Diese richten sich an alle akademischen Gesundheitsberufe und somit auch an Haus-, Fach- und Klinikärzte. Aktuell gibt es ca. 3.000 geschulte Trainer in Deutschland, wovon ca. 300 aktiv selbstständig Gruppenkurse durchführen.

Um die Versorgung während der SARS-CoV-2-Pandemie aufrechtzuerhalten, konnten nach einer Sonderregelung der Zentralen Prüfstelle Prävention zertifizierte Präsenzkurse auf digitalem Weg erfolgen. Diese Form des RFP hat sich während der Pandemie bewährt und könnte so auch langfristig eine sinnvolle Erweiterung zum bereits bestehenden Therapieangebot darstellen. Die IFT-Gesundheitsförderung arbeitet aktuell an der Zertifizierung eines Online-Kurses nach dem Konzept des RFPs bei der Zentralen Prüfstelle Prävention.

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Dr. med. Andrea Rabenstein

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums der Universität München - LMU, Tabakambulanz