Zu Beginn der Corona-Pandemie bestand große Unsicherheit in Bezug auf das Infektionsrisiko bei der Leichenschau und der Obduktion von infizierten Verstorbenen. Wie ist der aktuelle Stand? Welche Mindest-Schutzmaßnahmen müssen Sie bei der Leichenschau einhalten?

Bei der ärztlichen Leichenschau sind gewisse Sorgfaltspflichten durch den leichenschauenden Arzt zu erfüllen. Deren Art und Umfang sind z. T. in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer festgelegt. Als gute Orientierung dient die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin [1].

Eine mögliche Aussetzung der Leichenschau bei infektiösen Verstorbenen oder eine Reduktion des Umfangs in derartigen Fällen ist hier nicht erwähnt. Lediglich die Meldepflicht an das zuständige Gesundheitsamt ist genannt: Gemäß § 9 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat der Leichenschauarzt unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden Meldung an das für den Aufenthalts- bzw. Sterbeort zuständige Gesundheitsamt zu erstatten, wenn die Todesursache eine übertragbare Krankheit ist oder der Verstorbene an einer übertragbaren Krankheit gelitten hat bzw. entsprechender Verdacht besteht (§ 6 IfSG). Während § 6 IfSG zwar die Infektionskrankheiten nennt, in dessen Bezug der Tod zu melden ist ("Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19]" unter § 6 Abs. 1 Satz 1 t), ist im IfSG ebenfalls keine Einschränkung der Leichenschau bei derartigen Todesfällen vorgesehen.

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Nach der Leichenschau werden SARS-CoV-2-positive Verstorbene üblicherweise in einem Leichensack verwahrt.

Situation zu Beginn der Pandemie

Im März 2020 bestand große Unsicherheit im gesamten medizinischen Sektor in Anbetracht der neuen Erkrankung COVID-19, die durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 ausgelöst wird. Diese Unsicherheit betrafen die Infektiosität, Pathogenität, Krankheitsverlauf, Risikofaktoren und Risikogruppen.

Aus Sicht der Rechtsmedizin galt es bereits am Anfang, die potenzielle Gefahr, die von virus-positiven Verstorbenen ausgeht, einzuschätzen. Dabei gab es zwei relevante Szenarien: die äußere Leichenschau und die Obduktion. Die Leichenschau betrifft letztlich alle Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der "normalen" ärztlichen Leichenschau, weiter gefasst alle Angehörigen und das Rettungsdienstfachpersonal. In der Rechtsmedizin kommt die gerichtliche Leichenschau hinzu sowie in den meisten Bundesländern die Zweite Leichenschau vor Feuerbestattung oder einem Auslandstransport.

Die Gefahren, die von der Leichenschau eines Verstorbenen für das medizinische Personal ausgehen, sind als vergleichbar einzuschätzen mit den Risiken für Bestatterinnen und Bestatter im Rahmen der Versorgung des Leichnams. Als mögliche Infektionswege wurden Tröpfcheninfektionen, Infektionen über Aerosole und Schmierinfektionen diskutiert und bestätigt. Der Leichnam eines SARS-CoV-2-positiven Verstorbenen ist theoretisch grundsätzlich kontagiös (Erreger der Risikogruppe 3, Biostoffverordnung) [10]. Für alle diese Wege dürfte sich das Risiko der Infektion im Vergleich zur (äußeren) Leichenschau bei der Obduktion (Leichenöffnung, innere Leichenschau) um ein Vielfaches erhöhen.

Infektiosität und Infektionsrisiko

Diese theoretischen Überlegungen waren nicht geeignet, das individuelle Infektionsrisiko eines Untersuchers an einem SARS-CoV-2-positiven Leichnam einzuordnen. Dabei waren Coronaviren Anfang 2020 keine Unbekannten mehr. Rabenau et al. hatten bereits 2005 die Stabilität von SARS-CoV (SARS 1) auf Oberflächen unter feuchten und trockenen Umgebungsbedingungen und die Ergebnisse mit anderen humanpathogenen Viren verglichen: SARS-CoV behielt seine Infektiosität (Anzüchtbarkeit in der Zellkultur) im feuchten Milieu bis zu 9 Tage lang - im getrockneten Zustand immerhin bis zu 6 Tage, bei allerdings nur noch sehr geringer Viruslast (Nachweis mittels PCR-Test) [6]. Diese Ergebnisse führten in einer ersten Reaktion dazu, generell von Obduktionen abzuraten und jeden unnötigen Kontakt mit potenziell infektiösen SARS-CoV-2-positiven Leichen zu vermeiden [7] - eine Ansicht, die damals auch das Robert-Koch-Institut (RKI) vertrat.

Erste Maßnahmen zu Risikominimierung

Aus diesem Wissensstand heraus resultierten die "Arbeitsanweisungen", SARS-CoV-2-positive Verstorbene unmittelbar nach dem Tod bzw. der erfolgten Leichenschau in einem Leichensack (Body Bag) luftdicht zu verschließen und diesen bestenfalls bis zur Feuer- oder Erdbestattung nicht mehr zu öffnen. Einige Bundesländer haben derartige Vorgehensweisen mittels Verordnungen ermöglicht. So gab es beispielsweise in Hessen für den Zweitleichenschauer die Option, falls der Patient im Krankenhaus behandelt und dort an COVID-19 verstorben war, auf eine Besichtigung des Leichnams zu verzichten und diesen allein anhand des Leichenschauscheins "freizugeben". In Baden-Württemberg wurde die Zweite Leichenschau vor Kremierung zeitweise ausgesetzt. Dass die (erste) ärztliche Leichenschau damit eine höhere Relevanz bekam, war den meisten Kolleginnen und Kollegen damals wohl kaum bewusst. Aus dem Aspekt der Rechtssicherheit, was das Entdecken von Tötungsdelikten betrifft, waren diese Regelungen selbstverständlich kontraproduktiv.

Die forensische/strafprozessuale Sichtweise

Bereits initial wurde jedoch klargestellt, dass es Todesfälle von COVID-19-Erkrankten gibt, bei denen eine Obduktion unumgänglich ist [7]. Am Standort Hamburg setzte man sich mit Beginn der Pandemie für eine systematische Untersuchung der SARS- CoV-2-positiven Verstorbenen ein [2].

Für Obduktionen an infektiösen Verstorbenen werden erhöhte Sicherheitsmaßnahmen zum Eigenschutz der Obduzenten-Teams empfohlen. Es bedarf eines separaten Obduktionssaals mit adäquater Lüftungsleistung und Funktionsbereichskleidung, Kopfhaube, Schutzbrille, wasserdichte Schutzkleidung (Kunststoffschürze, Unterarmschutz), Bereichsschuhe und eine adäquate Atemschutzmaske (mind. FFP2, resp. N95). Es werden mindestens zwei Lagen wasserdichte Handschuhe getragen.

Erfahrungen und Studienergebnisse aus der rechtsmedizinischen Praxis

Im Frankfurter Institut für Rechtsmedizin erfolgten bislang über 20 Obduktionen und im Hamburger Institut mehr als 300 Obduktionen von SARS-CoV-2-positiven Verstorbenen. 4 an COVID-19 Verstorbene mit unterschiedlich langen Leichenliegezeiten (1, 4, 9, 17 Tage) wurden in einer Studie zur Infektiosität von COVID-19-Leichen untersucht [5]: Von jedem Leichnam wurden mehrere Abstriche der Körperoberfläche (je 5 x), außerdem des Rachens, der Luftröhre und während der Obduktion der Lungen angefertigt; es wurden zudem 11 Organproben entnommen. Aus diesen Proben wurde versucht, SARS-CoV-2 in einer Zellkultur anzuzüchten. Die PCR kann nur die Virus-RNA nachweisen bzw. lässt nur Rückschlüsse auf deren Menge zu. Es kann damit keine Aussage getroffen werden, ob die Viren, von denen die RNA stammt, noch infektiös sind oder überhaupt noch leben. Gelingt eine Anzucht der Viren in der Zellkultur, ist dies als Beleg dafür zu werten, dass sie einen Organismus infizieren können.

Bis auf eine Ausnahme (hier: Mundregion) waren von allen Abstrichen von der Körperoberfläche keine Corona-Viren anzüchtbar. Dagegen gelang dies im tiefen Rachen-, Luftröhren- und Lungenabstrich sogar in den Fällen mit mehreren Tagen Liegezeit. Hieraus folgt, dass im Körperinneren von SARS-CoV-2-positiven Verstorbenen nachgewiesenermaßen bis zu einer Liegezeit von 17 Tagen infektiöses virales Material vorliegen kann. Diese Infektiosität ist am ehesten abhängig vom Zeitpunkt des Versterbens des Patienten nach Infektionsbeginn - je früher ein Patient nach Symptommanifestation verstirbt, umso eher ist eine Infektiosität im Inneren des Körpers anzunehmen. Diese Erkenntnisse besitzen höchste Relevanz für die Obduktion.

Die postmortale Stabilität des SARS-CoV-2-Erbguts wurde an Rachenabstrichen von 11 Verstorbenen über 9 Entnahmen bis eine Woche nach dem Tod seriell getestet. Es zeigte sich, dass die Virus-RNA bis zu diesem Zeitpunkt postmortal stabil bleibt und das sog. postmortale Intervall keinen Einfluss auf die Viruslast in Verstorbenen hat. Lebende Viren wurden bis 36 Stunden nach dem Tod in Kulturen nachgewiesen [3].

Schröder et al. [10] konnten an der Körperoberfläche von Verstorbenen an typischen Kontaktpunkten eines Leichnams (inkl. Mundregion) sowie an Leichensäcken und Särgen keine SARS-CoV-2-Viren kultivieren und somit keine Infektiosität feststellen.

Gefahren im Rahmen der Leichenschau

Eine Infektion infolge Berührung der Körperoberfläche eines Leichnams wurde bisher nicht nachgewiesen. Nach aktueller Datenlage ist dies bei adäquaten Schutzmaßnahmen keine reale Gefahr. Ein professioneller und gleichzeitig würdevoller Umgang mit den Verstorbenen bei der ärztlichen Leichenschau ist somit möglich - und nicht nur gesetzlich vorgeschrieben.

Es ist allerdings in Betracht zu ziehen, dass sich durch den Umgang mit dem Leichnam bei der Leichenschau aus den Atemwegen mittels Aerosolbildung infektiöse Viren verbreiten könnten. Ein Druck auf den Brustkorb zur Prüfung der Stabilität sollte entsprechend behutsam erfolgen. Die größte Gefahr ist aber wohl beim Andrehen des Leichnams zu erwarten (zur vollständigen Untersuchung des Rückens). Es ist bislang unklar, ob beim Bewegen und Andrehen des Leichnams so viel Aerosol produziert werden kann, dass die Menge an potenziell infektiösen Viruspartikeln für eine Infektion ausreicht.

Zur Minimierung der Infektionsgefahr eignet sich in der Praxis eine Bedeckung der äußeren Atemöffnungen des Verstorbenen durch einen Mund-Nasen-Schutz oder ein Desinfektionsmittel-getränktes Tuch (Mindestschutz s. Infobox 1).

Situation in den Rechtsmedizinischen Instituten Hamburg und Frankfurt

Von 36 Mitarbeitern des Instituts für Rechtsmedizin in Hamburg mit Kontakt zu vielen hunderten SARS-CoV-2-positiven Verstorbenen bei Leichenschauen, Obduktionen und im Krematorium pro Mitarbeiter und damit ganz sicher als Teil einer besonders exponierten Population wurde nur bei einer Person eine durchgemachte Virusinfektion nachgewiesen [11]. Setzt man dieses Verhältnis (2,8%) auf die 83 Mill. Einwohner Deutschlands um, zeigen die aktuell mehr als 2,5 Mill. (3,0%) positiven Tests (RKI, Stand 08.03.2021 [9]) keine niedrigere Prozentzahl.

Im Frankfurter Institut für Rechtsmedizin hatten 27 Personen einen vergleichbaren Kontakt zu Verstorbenen. Von diesen waren innerhalb eines Jahres 4 symptomatisch und SARS-CoV-2-positiv (PCR). Bei 3 dieser 4 Personen war jeweils der Infektionsweg über (lebende) Kontaktpersonen im privaten Umfeld nachweisbar. Bei einer Person (ärztlicher Dienst) war der Infektionsweg nicht sicher zu bestimmen. In dem für sie relevanten Inkubationszeitraum hatte sie an einem Tag 12 Zweite Leichenschauen an SARS-CoV-2-positiven Verstorbenen in einem Krematorium durchgeführt - unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen (FFP3-Maske, Schutzbrille, Kopfhaube, wasserfester Kittel, zwei Paar Handschuhe). Ein berufsgenossenschaftliches Verfahren läuft noch.

Dunkelziffer

In Hamburg wurden bei verdachtsunabhängigen Screenings von Verstorbenen durch Rachenabstriche auf SARS-CoV-2 in der Leichenhalle und in Krematorien seit Beginn der Pandemie mehr als 50 Sterbefälle herausgefiltert, bei denen zu Lebzeiten eine entsprechende Virusinfektion nicht bekannt gewesen war (sog. Zufallsentdeckungen). Diese Fälle unterstreichen die Bedeutung von Serienuntersuchungen für eine gezielte Überwachung und Eingrenzung eines Pandemiegeschehens, aber v. a. die Arbeitsschutzrelevanz für alle mit Verstorbenen arbeitenden Professionen [4]. Der eingeforderte professionelle und versierte Umgang von Ärztinnen und Ärzten im Rahmen der ärztlichen Leichenschau sollte also für alle Sterbefälle gelten.

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© Universitätsklinikum Frankfurt

Prof. Dr. med. Marcel A. Verhoff

Direktor des Instituts für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe-Universität, Frankfurt am Main