Einem 58-jährigen Handwerker war ein leichteres Ziehen im linken Oberarm aufgefallen, dem er jedoch keine Bedeutung beigemessen hatte. Einige Tage später musste er dann bei Montagearbeiten ein schweres Gerät anheben - und plötzlich fuhr ihm der Schmerz in den Oberarm.

figure 1

© C. Raschka

Da er auch eine seltsame Verformung seines Arms wahrnahm, kam er am nächsten Tag in unsere Praxis. Bei der klinischen Untersuchung imponierte der distalisierte linksseitige Bizepsmuskelbauch. Der hinzugezogene Facharzt konnte bei der Sonografie die Bizepssehne im Sulcus intertubercularis nicht darstellen. Im MRT schließlich konnte die vollständige Retraktion der Caput-longum-Sehne gesichert werden. Therapiert wurde mit Schonung, Kühlung und Ibuprofen mit Magenschutz. Eine Operationsindikation bestand nicht.

Die Beschwerden des Patienten vor dem eigentlichen Sehnenriss lassen vermuten, dass eine chronische Vorschädigung vorgelegen hatte. In solchen Fällen kann die sonst im alltäglichen und beruflichen Gebrauch äußerst stabile Sehnenstruktur durch plötzliche Kraftspitzen überfordert werden - wie hier durch das Anheben des schweren Arbeitsgeräts. Neben Handwerkern sind davon v. a. Kraftsportler betroffen. Als ursächliche Faktoren gelten u. a. Dopingsubstanzen und vorausgehende Kortisoninjektionen, aber auch antibiotische Therapien mit Substanzen aus der Gruppe der Fluorchinolone. Auch bei Rauchern ist das Risiko eines Sehnenrisses um den Faktor 7,5 erhöht.

Bei 96% aller Bizepssehnenrupturen ist die lange proximale Sehne betroffen. Dagegen entfallen auf die distale Sehne im Bereich des Ellenbogengelenks nur 3% und auf die kurze proximale Sehne nur 1% der Fälle. In etwa vier von fünf Fällen tritt der Sehnenriss im dominanten Arm auf.

Weil bei einer Ruptur der langen Bizepssehne die Kraftentwicklung fast komplett über das Caput breve kompensiert werden kann, tritt nur ein Kraftverlust von ca. 15% auf. Zudem macht es nur wenig Sinn, eine degenerativ geschädigte Sehne zu refixieren. Aus diesen Gründen wird die Indikation zur operativen Versorgung nur sehr zurückhaltend gestellt. Allerdings stört manche Patienten das kosmetische Ergebnis in Form eines "Popeye-Muskels".

figure 2

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. Sportwiss.

Christoph Raschka

Praxis für Allgemeinmedizin - Sportmedizin, Im Igelstück 31, D-36088 Hünfeld