Welche Auswirkungen hat COVID-19 auf Spermienzahl, -qualität und männliche Hormone? Die Autoren haben die Literatur gesichtet und fassen die aktuellen Erkenntnisse zusammen. Darüber hinaus erfahren Sie, was Sie Krebspatienten, die über eine Kryokonservierung nachdenken, guten Gewissens raten können.

Männer und Frauen sind in etwa gleich häufig von COVID-19 betroffen. Die Mehrzahl der Patienten ist zwischen 15 und 59 Jahre alt [1]. Da die Infektion mit SARS-CoV-2 eine Vielzahl von Organsystemen betreffen kann, sind unter Berücksichtigung der Alterstruktur mögliche Effekte auf Funktionen des Reproduktionssystems in den Fokus wissenschaftlichen Interesses gerückt [3].

Die für den Eintritt dieses Virus in die Wirtszelle notwendigen Rezeptoren und Enzyme kommen auch in männlichen Reproduktionsorganen vor. SARS-CoV-2 bindet an ACE-2-Rezeptoren. Diese sind in humanen Leydigzellen und Sertolizellen sowie Spermatiden und Spermatozoen nachweisbar [4, 5, 6].

Aus andrologischer Sicht sind Auswirkungen auf die Hypophyse, die Spermatogenese oder die Testosteronproduktion relevant [4]. Hierbei sind spezifische, durch SARS-CoV-2 bedingte Effekte oder unspezifische Auswirkungen der mit der Infektion teilweise einhergehenden erhöhten Temperaturen und Einschränkungen des Allgemeinbefindens vorstellbar [7]. Beobachtungen bei früheren SARS-Epidemien weisen darauf hin, dass Coronaviren auch eine Orchitis verursachen können [8].

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SARS-CoV-2: bisher nicht zweifelsfrei in Sperma nachgewiesen.

Ist SARS-CoV-2 im Sperma nachweisbar?

Zu Beginn der Pandemie wurde über den Nachweis von SARS-CoV-2 in menschlichem Sperma bei 6/38 (15,8%) Patienten mit COVID-19 in China berichtet [9]. Diese Publikation wurde aber zwischenzeitlich wegen methodischer Mängel und entsprechender Zweifel an den Ergebnissen wieder zurückgezogen. In folgenden Studien gelang kein Nachweis von SARS-CoV-2-RNA in menschlichem Sperma. Das gilt insbesondere für Männer, die sich von COVID-19 erholen. Bemerkenswert ist aber, dass 6/34 (17,6%)Männern über Beschwerden im Bereich der Hoden berichteten, sodass eine Begleitorchitis nicht ausgeschlossen werden kann [10]. Die Spermaqualität wurde nicht mitberücksichtigt.

Eine etwas differenziertere Auswertung von 74 Männern mit Z. n. COVID-19 führte in einer weiteren Studie zu vergleichbaren Ergebnissen: SARS-CoV-2 konnte in keinem der in bis zu drei Monaten nach Diagnosestellung produzierten Ejakulate nachgewiesen werden. Gleiches galt auch für Urin und Prostataexprimat [11]. Nur einer der Patienten berichtete über Hodenschmerzen. Bei ihm konnte in einer MRT eine Orchitis gesichert werden.

Die Spermaqualität der Männer lag innerhalb der WHO-Referenzwerte; im Vergleich zu gesunden Kontrollen waren die Werte aber niedriger [11]. Dabei zeigte sich keine Assoziation mit der Schwere der COVID-19-Verläufe. Allerdings war die Spermiengesamtzahl bei den Patienten niedriger, die eine längere Erholungsphase nach durchgestandener Erkrankung benötigten. Die Serumwerte für LH, FSH und Testosteron waren unauffällig.

Auch bei Untersuchungen in einem kürzeren Zeitraum (6-17 Tage) nach Diagnosestellung gelang kein Nachweis von SARS-CoV-2-RNA im Sperma [12]. Selbst im akuten Zustand der Infektion fand sich 0-7 Tage nach Erstdiagnose bei symptomatischen Männern mit positivem Nachweis von SARS-CoV-2 im Nasen-Rachen-Raum keine Virus-RNA im Sperma [13]. Die oben aufgeführten Ergebnisse stehen in Einklang mit anderen Studien [14, 15, 16].

SARS-CoV-2 und Spermaqualität

Systemische Virusinfektionen sind als Auslöser testikulärer und/oder epididymaler Entzündungsreaktionen mit Auswirkungen auf die Fertilität bis hin zu einer persistierenden Azoospermie bekannt [17]. Auch Infektionen mit SARS-CoV-2 können offensichtlich zu Orchitiden oder Beschwerden, die diese Diagnose nahelegen, führen [10, 11]. In einem Fallbericht wurde eine bilaterale Orchitis bei einem 37-Jährigen als wesentliches Symptom einer COVID-19-Erkrankung beschrieben [18].

Autopsie-Präparate von Hoden und Nebenhoden von verstorbenen COVID-19-Patienten zeigten ein interstitielles Ödem, eine Verschmälerung des Keimepithels mit Abschilferung von Spermatogenesezellen und vermehrte Durchblutung mit Exsudation von Erythrozyten [19]. In dieser Studie wurde auch die Spermaqualität von 23 COVD-19-Patienten untersucht. Hierbei fand sich bei 9/23 (39,1%) Patienten eine Oligozoospermie mit Spermienzahlen unter 15 x 10/ml und bei 14/23 (60,9%) eine erhöhte Zahl von Peroxidase-positiver Zellen im Ejakulat.

Mildere Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion scheinen einen geringeren Einfluss auf die Spermaqualität zu haben als schwere Verläufe [14]. Fieber als Begleitsymptom wirkt sich zusätzlich auf die Spermatogenese aus [5]. Auch eine längere Rekonvaleszenz-Zeit scheint mit einer geringeren Spermiengesamtzahl assoziiert zu sein [11]. Die bisherigen Studien sind aber in ihrer Aussagekraft limitiert, da die Fallzahlen gering sind und die Nachbeobachtungszeit kurz ist. Mehrfache Spermiogramme zur Erfassung intraindividueller Schwankungen wurden in den Studien nicht untersucht. Vergleichsspermiogramme aus der Zeit vor der Erkrankung liegen nur in Einzelfällen vor und zeigen, dass die Spermaqualität teilweise schon zuvor eingeschränkt war [20].

Empfehlungen zur Kryospermakonservierung

Der bisher fehlende eindeutige Nachweis von SARS-CoV-2 in Spermaproben von infizierten oder genesenen Männern zu verschiedenen Zeitpunkten nach Diagnosestellung hat Relevanz für die Kryospermakonservierung während der Pandemie. Bei Tumorpatienten werden vor Kryospermakonservierung eine klinische Untersuchung auf Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion, eine sorgfältige Kontaktanamnese und Untersuchung des Spermas empfohlen [21]. Die Society for Male Reproduction and Urology (SMRU) führt in ihrer Stellungnahme aus, dass eine Kryospermakonservierung bei Männern mit Tumorerkrankungen auch unter den Bedingungen der Pandemie durchgeführt werden kann [22].

Effekte auf LH, FSH und Testosteron?

Nur wenige Studien haben bisher den Einfluss von SARS-CoV-2 auf die Hypothalamus-Hypophysen-Gonadenachse bzw. Leydigzellfunktion untersucht. Die Fallzahlen sind gering und zeigen teilweise keine Effekte [11]. Bei 119 Männern zwischen 20 und 49 Jahren mit unterschiedlich stark ausgeprägter COVID-19-Erkrankung fand sich allerdings ein im Vergleich zur gesunden Gruppe signifikant erhöhter LH-Wert, der auf eine gestörte Leydigzellfunktion hindeutet. Testosteron (T) und FSH zeigten keine signifikanten Unterschiede [20].

Die eingeschränkte Leydigzellfunktion hängt wahrscheinlich mit der systemischen Entzündung zusammen, da das Verhältnis T/LH negativ mit CRP und Leukozyten im Blut assoziiert war. Die Erhöhung des LH-Wertes konnte in anderen Untersuchungen nicht bestätigt werden. Unterschiede zeigten sich auch dann nicht, wenn gesondert nach der Zeit, die SARS-CoV-2 nachgewiesen wurde, und der Erkrankungsschwere ausgewertet wurde [23].

Besonderes Augenmerk muss auf den Zusammenhang zwischen Testosteron und COVID-19-Verlauf gerichtet werden [24]. Die Mortalität von Männern ist bei dieser Infektion größer als bei Frauen [25]. Möglicherweise stehen die an der Infektion der Pneumozyten beteiligten ACE-2-Rezeptoren und transmembranen Serinproteasen 2 bzw. deren Funktionen unter dem Einfluss von Androgenen [26].

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Prof. Dr. med. Frank-Michael Köhn

Andrologicum München