In einer kanadischen Kohortenstudie konnte ein negativer Einfluss einer mütterlichen Depression auf verschiedene Entwicklungsdomänen ihrer Kinder in den ersten fünf Lebensjahren gezeigt werden.

Im Zeitraum von 2005-2016 wurden 52.103 Mütter und ihre Kinder erfasst. Bei 9.800 der Mütter (19,1%) hatten Ärzte eine Depression diagnostiziert. Der Entwicklungsstatus der Kinder wurde in Jahresabständen per Fragebogen ermittelt. Die 103 Items umfassten die Entwicklungsdomänen allgemeines Wohlbefinden, Fein- und Grobmotorik, emotionale Reifung, soziale Kompetenz, Sprach- und kognitive Entwicklung sowie kommunikatives Verhalten. Depressive Mütter waren bei der Geburt häufiger als die nicht depressiven Vergleichsprobandinnen jünger als 25 Jahre alt. Sie lebten eher in sozialer Isolation, rauchten und tranken eher Alkohol während der Schwangerschaft und hatten ein geringes Einkommen. Bei der Regressionsanalyse wurden diese Ko-Variablen berücksichtigt.

Kinder von depressiven Müttern hatten im Alter von fünf Jahren ein 1,17-fach erhöhtes Risiko einer beeinträchtigten Entwicklung in mindestens einer Domäne. Am meisten betroffen waren das allgemeine Wohlbefinden mit einem adjustierten relativen Risiko von 1,28, die soziale Kompetenz (1,28) und die emotionale Reifung (1,27). Sprach- und kognitive Entwicklung waren nicht beeinflusst. Der negative Einfluss auf die kindliche Entwicklung war im ersten und im fünften Lebensjahr am größten. Die Zahl der Kinder, die eine Mutter mit einer Depression hatten, lag im ersten Lebensjahr bei 3.656 (7%) und stieg bis zum fünften Lebensjahr auf 4.738 (9,1%).

MMW-Kommentar

Depressive Störungen sind außerordentlich häufig und scheinen in den letzten Jahren noch zuzunehmen. Eine Depression der Mutter - auch heute noch die primäre Bezugsperson ihrer Kinder - stellt dieser Studie zufolge ein signifikantes Risiko für eine psychosoziale Entwicklungsstörung ihrer Kinder in den ersten Lebensjahren dar. Das allgemeine Wohlbefinden sowie die Entwicklung sozialer Kompetenz und das Kommunikationsverhalten des Kindes sind offenbar besonders dann gefährdet, wenn die Mutter im ersten und/oder im fünften Jahr nach der Geburt eine Depression hat.

Die Autoren erwähnen selbst einige Limitationen der Studie. So waren bei den meisten Müttern der Zeitpunkt und der Schweregrad der Depression unbekannt. Der Erziehungsmodus der Kinder wurde nicht evaluiert, und auch über Geschwister und über die Väter lagen keine Informationen vor.

Quelle: Wall-Wieler E, Roos LL, Gotlib IH. Maternal depression in early childhood and dvelopmental vulnerability at school entry.Pediatrics. 2020;146:e20200794

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Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. D. Reinhardt

Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Haunerschen Kinderspital, München