Das Rennen um einen marktreifen Impfstoff steht, wie es aussieht, kurz vor der Entscheidung. mRNA-Vakzinen und Vektorviren-Impfstoffe liegen Kopf an Kopf. Wie funktionieren sie - und wo liegen noch Probleme?

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So rasch ist noch nie eine Vakzine gegen eine pandemische Infektionskrankheit entwickelt worden wie im Fall von COVID-19. Früher wurden für so ein Unternehmen 15 bis 20 Jahre Entwicklungsarbeit angesetzt. Doch nachdem SARS-CoV-2 vor rund einem Jahr begonnen hatte, Furcht, Krankheit und Tod auf dem Planeten zu verbreiten, sind binnen kurzer Frist mehr als 200 Impfstoffprojekte an den Start gegangen.

Drei Kandidaten liegen inzwischen tatsächlich in aussichtsreicher Position. Die Unternehmen BioNTech/Pfizer (für die mRNA-Vakzine BNT162b2) und Moderna (für mRNA-1273) haben bereits die (bedingte) Zulassung in der EU beantragt, AstraZeneca (für den Vektorviren-Impfstoff AZD1222) hat Teile des Zulassungsantrags vorgezogen und bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA im Zuge einer Rolling Submission eingereicht [1]. In Großbritannien ist BNT162b2 bereits eine Notfallzulassung erteilt worden. Impfen könnte also schon bald der neue und vielleicht entscheidende Trumpf im Kampf gegen SARS-CoV-2-Infektionen sein. Doch welcher Impfstoff sticht?

AZD1222

Bei der Vakzine AZD1222 von AstraZeneca greift man auf ein Prinzip zurück, das auch schon gegen Ebola und Dengue-Fieber eingesetzt worden ist. Ein viraler Vektor, hier die abgeschwächte Version eines replikationsdefizienten Erkältungsvirus von Schimpansen, wird mit genetischem Material beladen, in diesem Fall der Information für das Spike-Protein von SARS-CoV-2, mit dem sich SARS-CoV-2 Zugang zur Zelle verschafft. Nach der Impfung wird das Spike-Protein synthetisiert und auf diese Weise ein Immunschutz generiert: Im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion attackiert das so vorbereitete Immunsystem das Virus.

Im Mittel soll AZD1222 zu 70% wirksam sein, also nach einer Infektion vor einer Erkrankung an COVID-19 schützen. Die veröffentlichten Daten einschlägiger Studien haben Fachleute allerdings stutzig gemacht. Denn erfolgt die erste der zwei nötigen Impfungen mit halber, die zweite mit voller Dosis, beträgt der Impfschutz 90%. Zwei Impfungen mit voller Dosis führen zu einer Wirksamkeit von 62% - woraus sich dann rechnerisch ein Schutz von durchschnittlich 70% ergeben soll.

BNT162b2

Die Vakzine BNT162b2 von BioNTech/Pfizer funktioniert auf der Basis von messenger-RNA (mRNA). Das Prinzip ist so genial wie neu - bisher gibt es weltweit keinen einzigen zugelassenen Impfstoff dieses Typs. mRNA-Impfstoffe enthalten ein ausgewähltes Gen des (RNA-)Virus, im Fall von BNT162b2 das in Lipidpartikel eingehüllte Gen für das Spike-Protein. Nach der Vakzinierung soll die mRNA-Information aus dem Impfstoff abgelesen werden und die Bildung von Spike-Protein hervorrufen, das dann wiederum den Aufbau des Immunschutzes bewirkt.

Die Wirksamkeit von BNT162b2 wird mit 95% angegeben, auch in der Gruppe der Senioren.

mRNA-1273

Bei dem Impfstoff, den die US-Firma Moderna entwickelt hat, handelt es sich ebenfalls um eine mRNA-Vakzine. Wie das Präparat von BioNTech/Pfizer verwendet sie die Information für das Spike-Protein. Die Wirksamkeit von mRNA-1273 wird mit 94,5% beziffert, auch soll die Vakzine helfen, schwere COVID-19-Verläufe zu verhindern. Laut vorliegender Daten ist die Immunantwort auf mRNA-1273 nach der zweiten Injektion mehrere Monate lang nachweisbar [2].

mRNA-Impfstoffe haben generell den Vorteil, dass von ihnen sehr schnell viele Injektionsdosen produziert werden können. Probleme könnte die Logistik bereiten, denn BNT162b2 beispielsweise benötigt eine Lagerungstemperatur von -70 °C. Pfizer hat bereits Lieferkettenprobleme eingeräumt und das Jahresziel 2020 für die Produktion von 100 Millionen Impfdosen auf 50 Millionen gesenkt. Für mRNA-1273 genügen ebenso wie für AZD1222 normale Kühlschranktemperaturen.

Alle Aussagen zu den Corona-Vakzinen müssen mit Vorsicht betrachtet werden, denn wichtige Untersuchungen laufen noch. Endgültige und vollständige Daten liegen nicht einmal den Zulassungsbehörden vor. Wie fast überall in der Pandemie diktiert das Virus das Tempo, der Mensch versucht unter Mühen mitzuhalten.

Quellen:

1. Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Impfstoffe zum Schutz vor der Coronavirus-Infektion Covid-19. https://www.vfa.de/print/de/arzneimittel-forschung/woran-wir-forschen/impfstoffe-zum-schutz-vor-coronavirus-2019-ncov; abgefragt am 4. Dezember 2020

2. Widge AT et al. N Engl J Med 2020; https://doi.org/10.1056/NEJMc2032195