Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Erkrankungen gehören zu den häufigsten Komorbiditäten bei Menschen mit einer COVID-19-Infektion. Das metabolische Syndrom verschlechtert das Outcome deutlich. In Pandemie-Zeiten ist deshalb eine Optimierung der Stoffwechseleinstellung besonders wichtig.

Patienten mit Diabetes und weiteren Begleiterkrankungen des metabolischen Syndroms scheinen bei einer COVID-19-Infektion ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf einschließlich einem akuten Lungenversagen (ARDS) bzw. einem Multiorganversagen zu haben. "Ob es sich hierbei um eine bloße Assoziation oder um kausale Zusammenhänge handelt, ist bisher nicht geklärt", so Prof. Baptist Gallwitz, Medizinische Universitätsklinik Tübingen. Einzelne Arbeiten deuten auf eine mögliche Beziehung zwischen COVID-19-Infektion, ACE2-Expression und Glukosestoffwechsel hin.

Keine erhöhte Infektionsgefährdung

Zu Beginn der Pandemie gab es Berichte über ein erhöhtes COVID-19-Infektionsrisiko bei Diabetikern. Diese Einschätzung beruhte aber darauf, dass Diabetiker häufiger schwere Krankheitsverläufe zeigten und somit auch häufiger stationär behandelt werden mussten. "In der Folge bestätigte sich dann, dass bei Diabetikern die Verläufe und die Outcomes zwar schlechter waren, die Erkrankungsinzidenz ist aber wohl eher nicht erhöht", so Gallwitz. Mit anderen Worten: Diabetiker erkranken nicht häufiger, aber schwerer als Stoffwechselgesunde.

Schlechte Stoffwechselkontrolle - schwerer Verlauf

Eine große retrospektive Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Glykämiekontrolle und klinischem Outcome bei einer COVID-19-Infektion. Patienten mit einem HbA1c-Wert von ≥ 8,1% benötigten häufiger eine intensivmedizinische Behandlung als Patienten mit einem HbA1c von ≤ 7,3%.

Neben dem HbA1c als Parameter für die durchschnittliche Glykämielage der letzten drei Monate scheint auch die Schwankungsbreite der Plasmaglukose mit der Prognose zu korrelieren: Je größer die Blutzucker-Schwankungen, desto ungünstiger ist der Verlauf der Infektion. Hohe spontane Glukosekonzentrationen bei der Aufnahme und im weiteren Verlauf vor allem Schwankungen mit hohen Spitzenwerten verlängern den Krankenhausaufenthalt und erhöhen die Sterberate. "Der Einfluss dieser Parameter auf den Verlauf der Infektion ist stärker als der des HbA1c-Wertes", so Gallwitz. Daraus ergibt sich die Empfehlung einer stabilen und normnahen Glukoseeinstellung, um im Falle einer Infektion einem schweren Verlauf vorzubeugen.

In Obduktionsstudien zeigte sich, dass die meisten im Rahmen einer COVID-19-Infektion verstorbenen Diabetiker hochbetagt waren und weitere schwerwiegende Erkrankungen wie KHK, Hypertonie, chronische Nephropathie und/oder Herzinsuffizienz aufwiesen.

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Blutzuckerschwankungen möglichst vermeiden!

Keine Einbahnstraße

Der Zusammenhang zwischen COVID-19 und dem Blutzucker ist keine Einbahnstraße. Vielmehr kann umgekehrt die Infektion bei Diabetikern oder bei Risikopatienten für einen Diabetes die Stoffwechseleinstellung beeinflussen. Das Virus kann sich nämlich an die insulinproduzierende Betazelle binden und so möglicherweise die Inselzellen im Pankreas schädigen und die Insulinproduktion beeinträchtigen. So könnte ein Insulinmangeldiabetes ähnlich dem Typ-1-Diabetes entstehen. Versorgungsdaten ergeben allerdings keinen Hinweis darauf, dass die Inzidenz eines Insulinmangeldiabetes bei Kindern und Jugendlichen seit Pandemiebeginn zugenommen hat.

Diabetes verstärkt die Inflammation

Die pathophysiologischen Zusammenhänge sind noch nicht vollständig erforscht. Bei Patienten mit einem metabolischen Syndrom bzw. mit Adipositas liegt nicht selten eine generalisierte chronische Inflammation mit Insulinresistenz und erhöhten Zytokinspiegel vor. Bei einer COVID-19-Infektion können diese chronischen Inflammationsvorgänge zusätzlich verstärkt werden und so zu einem schwereren Verlauf beitragen. "Bei Adipositas kann ein zusätzlicher Zytokinsturm zu einem ARDS führen", so Gallwitz. Der eigentliche Risikofaktor für einen schweren Infektionsverlauf scheint die Adipositas zu sein. So konnte in Studien gezeigt werden, dass beatmungspflichtige Patienten einen höheren BMI aufwiesen und adipöse Patienten häufiger ein ARDS entwickelten.

Quelle: Online-Pressekonferenz der DDG, 4.11.2020