Neurologische Komplikationen -- Schwere neurologische Komplikationen sind bei COVID-19-Patienten häufiger als vermutet und auch gefährlicher, d. h. sie verschlechtern die Prognose.

In einer Beobachtungsstudie (Frontera J A et al Neurology October 5, 2020) wurden die Krankheitsverläufe von rund 4.500 Patienten analysiert, die zwischen März und Mai 2020 in New York wegen einer COVID-19-Infektion stationär behandelt wurden.

Jeder siebte Patient ist betroffen

13,5% dieser Patienten entwickelten eine ernsthafte neurologische Komplikation. Am häufigsten waren metabolische Enzephalopathien (6,8%), Schlaganfälle (1,9%), epileptische Krampfanfälle (1,6%) und hypoxische Hirnschädigungen (1,4%). Seltener waren Neuropathien einschließlich des Guillain-Barré-Syndroms, Myopathien und Bewegungsstörungen. Die neurologischen Symptome traten im Median zwei Tage nach Auftreten der COVID-19-Symptome auf, häufig bereits vor der Krankenhausaufnahme. Da nur schwere neurologische Komplikationen erfasst wurden, war die Rate an neurologischen Komplikationen relativ niedrig, so Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). In anderen Studien, die auch leichtere neurologische Symptome wie Geruchs- und Geschmacksstörungen erfassten, betrug die Prävalenz bis zu 84%, was bedeutet, dass 4 von 5 stationär behandelte COVID-19-Patienten betroffen sind.

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Gerade bei schwerstkranken, beatmeten Patienten muss auf neurologische Komplikationen geachtet werden.

Schlechteres Outcome

"Diese neurologischen Begleiterkrankungen haben eine klare Implikation für die Prognose", so Berlit. Im Vergleich zu Patienten ohne neurologische Begleiterkrankungen waren die neurologisch Betroffenen im Durchschnitt älter (71 vs. 63 Jahre), häufiger männlichen Geschlechts (66% vs. 57%), und weißer Hautfarbe (63% vs. 45%). Nach dem Herausrechnen von Alter und Risikofaktoren war das intrahospitale Sterberisiko bei Patienten mit neurologischen Begleitsymptomen um 38% erhöht und die Wahrscheinlichkeit, nach Hause entlassen werden zu können, um 28% geringer. Auch hatten Patienten, bei denen sich die neurologischen Komplikationen erst nach der Aufnahme im Krankenhaus entwickelten, eine sehr viel schlechtere Prognose als diejenigen, bei denen sich die neurologischen Begleiterkrankungen bereits früher einstellten.

Vaskulopathie und erhöhte Thrombogenität

Was den Schlaganfall betrifft, so ist bei COVID-19-Patienten das Risiko sowohl für einen ischämischen als auch einen hämorrhagischen Insult deutlich erhöht, erklärte Prof. Hans-Christoph Diener, Essen. Beim ischämischen Insult liegt die Inzidenz bei 1-3%, beim hämorrhagischen Insult bei 0,5%. Auch die Inzidenz kryptogener Insulte ist erhöht. Die Schlaganfälle bei einer COVID-19-Infektion sind schwerer und im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Schlaganfall mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (64% vs. 9,3%). Pathogenetisch dürften vaskulitische bzw. vaskulopathische Veränderungen mit einer perivaskulären Entzündung eine zentrale Rolle spielen. Dazu kommen Gerinnungsstörungen i. S. einer erhöhten Thrombogenität, was zu Thrombosen und Embolien sowohl im arteriellen als auch im venösen Bereich führt. Was die Therapie betrifft, so reduzieren Kortikosteroide die Mortalität bei schwer betroffenen Patienten um 30%. Auch Konvaleszentenplasma kann die Prognose quoad vitam verbessern, aber nur, wenn diese Therapie in den ersten vier Tagen eingeleitet wird und das Plasma einen hohen Titer an IgG-Antikörpern aufweist. "Nach anfänglichen positiven Daten reduziert nach einer neuen Studie aber Remdesivir die Mortalität nicht", so Diener.

Quelle: Virtueller DGN-Kongress 2020, 5.11.2020