Das Virostatikum Baloxavir marboxil ist seit zwei Jahren in den USA zur Behandlung der unkomplizierten akuten Influenza bei ansonsten gesunden Patienten über 12 Jahren zugelassen. Jetzt wurde es erfolgreich zur Postexpositionsprophylaxe in Haushalten - also präventiv - eingesetzt.

In einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten Studie wurde zunächst bei 545 Kindern und Erwachsenen mit einem Schnelltest eine Influenza diagnostiziert. Zielgruppe der Studie waren jene 752 Personen, die mindestens 48 Stunden lang im gleichen Haushalt mit den Infizierten gelebt hatten und somit selbst ein hohes Infektionsrisiko hatten. Wenn diese Personen noch keine Grippesymptome und keine Temperatur über 37,0 °C hatten, erhielten sie nach Zufallskriterien entweder eine Einmaldosis Baloxavir (n = 374) oder Placebo (n = 375). 74% der Probanden waren Kinder unter 12 Jahren, die eine gewichtsadaptierte Dosis erhielten.

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Er hat Influenza - sollte sie nun Baloxavir nehmen?

In der Kontrollgruppe erkrankten 13,6% innerhalb von zehn Tagen an einer Influenza. In der Verumgruppe waren es dagegen nur 1,9% (p < 0,001). Die Diagnose basierte auf dem Virusnachweis mittels PCR und dem Nachweis klinischer Symptome innerhalb von 10 Tagen. Die Reduktion der Erkrankungshäufigkeit war auch bei hohem Risiko sowie bei Kindern und Probanden ohne Schutzimpfung nachweisbar. Nebenwirkungen wurden bei 22,2% der Probanden in der Verumgruppe und bei 20,5% unter Placebo registriert, allerdings befanden sich darunter keine schweren Ereignisse.

Quelle: Ikematsu H, Hayden FG, Kawaguchi H: Baloxavir marboxil for prophylaxis against influenza in household contacts. N Engl J Med. 2020;383:309-20

MMW-Kommentar

Die Grippe wird durch berufliche und private Kontakte übertragen. Schulkinder verbreiten sie in Familien. Wenn das Virus den Haushalt erreicht hat, ist es für die Schutzimpfung zu spät. Dann helfen nur virostatische Medikamente, die die Krankheit in der frühen Phase mildern - oder am besten noch vor den ersten Symptomen den Ausbruch verhindern. Zielgruppe für eine derartige Postexpositionsprophylaxe sind Personen mit aktuell hohem Risiko für eine Influenza-Infektion, also Personen, die mit einem Erkrankten in einem Haushalt leben. Baloxavir scheint diese Voraussetzungen zu erfüllen. Trotzdem bleibt die Schutzimpfung vorerst die erste Wahl. Postexpositionsprophylaxe könnte im Prinzip auch ein Modell für die Bekämpfung von COVID-19 sein.

Die US-Zulassung von Baloxavir in der Behandlung der akuten Grippe wurde kürzlich übrigens auf Patienten mit hohem Risiko für Komplikationen erweitert, d. h. für Erwachsene im Alter ab 65 Jahren oder mit bestimmten Grunderkrankungen.

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Prof. Dr. med. H. Holzgreve

Internist, München