Der Umgang mit der Hygienepauschale im Kontext der Corona-Pandemie ist ein Warnsignal: Das aus dem GKV-Bereich bekannte Prinzip der Honorarabstaffelung ist endgültig auch in der GOÄ angekommen.

Vor Kurzem durften wir Zeuge davon werden, wie Honorarverhandlungen in der GOÄ zukünftig ablaufen könnten. Es ging um den erhöhten Hygieneaufwand bei unmittelbarem Patientenkontakt, für den Ärzte bislang 14,75 Euro gemäß Nr. 245 analog (2,3-facher Satz) abrechnen konnten. Doch seit dem 1. Oktober bis Jahresende sind nur noch 6,41 Euro (einfacher Satz) vorgesehen. Die Bundesärztekammer hat sich darauf mit PKV-Verband und Beihilfekostenträgern verständigt und ihre Abrechnungsempfehlungen entsprechend angepasst.

Der Kulturbruch, dass ein freier Beruf seine Gebührenordnung mit den Kostenträgern verhandeln muss, wurde schon vor zehn Jahren unter Gesundheitsminister Philipp Rösler vollzogen - und leider vom damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, akzeptiert. Schon damals war klar, dass ein vorab definierter Korridor, innerhalb dessen mögliche Honorarzuwächse stattfinden dürfen, nichts anderes ist als ein Budget. Nur weil wir immer noch auf eine neue GOÄ warten, ist dieser Fehler bislang versteckt geblieben.

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© skynesher / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Ringen künftig Ärzte- und PKV-Vertreter um einzelne GOÄ-Ziffern?

Eigentlich ist klar, dass sich die Gebührenordnung unseres freien Berufs allein auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient beschränken muss. Das soll einerseits verhindern, dass der Patient bei der Rechnungsstellung überfordert wird, und andererseits, dass Dumpingpreise die Qualität der Behandlung einschränken können. Die GOÄ schützt das Wohl des Patienten. Die Kostenträger mit ihren kommerziellen Interessen, ob PKV oder Beihilfe, haben bei der Formulierung einer Gebührenordnung nichts zu suchen.

Gemeinsame Kommission wie beim EBM

Eine gemeinsame Kommission aus Vertretern von Kostenträgern und Ärzteschaft, die über die Einführung neuer Leistungsziffern einen verbindlichen Leistungskatalog definiert, kannte man bislang nur vom EBM. Ein solches Modell steht im direkten Widerspruch zum Grundsatz der GOÄ. Das gilt auch für die generelle Festlegung eines Steigerungsfaktors - diesen muss der Arzt anhand des Aufwands individuell festlegen.

Das Ergebnis der Verhandlungen über die Hygienepauschale muss allen Ärzten deutlich machen, dass wir gemeinsam alles daransetzen müssen, diesen von der Politik erzwungenen Eingriff in die Freiberuflichkeit rückgängig zu machen. Sonst ist die EBMisierung der GOÄ irreversibel.

Darüber hinaus hat die PKV erneut die Möglichkeit verpasst, sich an den Corona-bedingten Mehrkosten in angemessenem Rahmen zu beteiligen. Das ist enttäuschend. Es ist vollkommen unverständlich, dass die PKV bei steigenden Infektionszahlen die finanziellen Mittel zur Bekämpfung der Pandemie in den Arztpraxen zurückfährt. Eine Beteiligung wie bisher wäre als Zeichen einer echten Unterstützung in der Krise das Mindeste gewesen.

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Christine Neumann-Grutzeck

Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI)