Es ist umstritten, ob ältere Patienten ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen Statine erhalten sollten. Eine neue Registerstudie beflügelt die Fürsprecher.

Anhand von Daten US-amerikanischer Veteranen wurde die Assoziation zwischen dem Beginn einer Statintherapie und klinischen Endpunkten in einer retrospektiven Kohortenstudie untersucht. Eingeschlossen wurden 326.981 Patienten im Alter ab 75 Jahre, die keine kardiovaskuläre Erkrankung hatten und noch nie ein Statin eingenommen hatten. Der Männeranteil lag bei 97%. Von den Teilnehmern erhielten 17,5% neu ein Statin. Diese Patienten hatten mehr Komorbiditäten als der Rest, weshalb mittels eines gewichteten Propensity-Score-Verfahrens Vergleichbarkeit hergestellt wurde.

20% Verringerung der kardiovaskulären Mortalität über 6,8 Jahre bei den Statinnutzern in der Studie

Als wesentliches Ergebnis zeigte sich, dass Statinnutzer in den folgenden 6,8 Jahren eine verringerte Mortalität hatten (78,7 vs. 98,2 Todesfälle pro 1.000 Personenjahre) und auch weniger tödliche und nicht-tödliche kardiovaskuäre Ereignisse erlitten (66,3 vs. 70,4 Ereignisse pro 1.000 Personenjahre).

MMW-Kommentar

Die Auswertung zeigt, dass auch ältere Personen ohne nachgewiesene kardiovaskuläre Erkrankung von einer Primärprävention mit Statinen profitieren können. Dies kontrastiert etwas mit Daten aus Interventionsstudien, die in aller Regel bei über 75-Jährigen keinen eindeutigen Nutzen nachweisen.

Woher kommt diese Diskrepanz? In Interventionsstudien werden in aller Regel nur wenige Patienten aus dieser Altersgruppe eingeschlossen, sodass die Daten auf einer geringen Patientenzahl beruhen. Außerdem werden in aller Regel gesündere Patienten eingeschlossen. So weisen die Autoren darauf hin, dass die allermeisten Patienten, die im Rahmen der jetzt vorgelegten Auswertung ein Statin erhielten, nicht in Interventionsstudien eingeschlossen worden wären (wegen bestehender Komorbiditäten). Somit repräsentiert die jetzt vorgelegte Auswertung eher den klinischen Alltag. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Studie praktisch ausschließlich auf Daten von weißen Männern beruht.

Die Studie belegt, dass in einer Gesellschaft, in der immer mehr ältere Personen leben und die durchschnittliche Lebenserwartung eines 80-Jährigen noch bei 8-9 Jahren liegt, das Thema Primärprävention nicht ad acta gelegt werden sollte, sondern bei entsprechender Lebenserwartung und unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Risikofaktoren immer wieder neu diskutiert werden muss.

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Prof. Dr. med. K. G. Parhofer

Medizinische Klinik IV, Klinikum der Universität München Eps, oca es

Quelle: Orkaby AR, Driver JA, Ho YL et al. Association of statin use with all-cause and cardiovascular mortality in US veterans 75 years and older. JAMA. 2020;324:68-78