Ein 28 Jahre alter, 1,86 m großer, schlanker, sportlicher, gut aussehender Mann, der bereits wegen Angstzuständen in psychologischer Behandlung gewesen war, stellte sich bei mir wegen einer nächtlichen Panikattacke vor. Ich stellte ihm ein Rezept für Diazepam-Tropfen aus und machte - obwohl er symptomfrei war - "zur Sicherheit" einen Coronavirus-Abstrich, was ihm sehr gelegen kam. Ich teilte ihm mit, dass ich ihn nur anrufen würde, wenn der Befund positiv sei. Am nächsten Tag lag das Testergebnis vor: tatsächlich positiv!

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Auch junge, sportliche Menschen können Ängste entwickeln (Symbolbild).

Ich rief den Patient sofort an, um ihn darüber zu informieren und ihm entsprechende Handlungsanweisungen inklusive Quarantänepflicht zu übermitteln. Und jetzt ging seine "Corona-Krankheit" erst richtig los. Wie er mir bei der Kontrolluntersuchung 14 Tage später mitteilte, hatte ihn sofort nach meinem Anruf ein Angstgefühl befallen. Seitdem spüre er einen Druck in der Brust.

Immerhin fielen zwei weitere Coronavirus-Tests negativ aus, sodass ich ihn für seinen Bürojob wieder arbeitsfähig schreiben konnte. Da Homeoffice angesagt war, konnte er in den folgenden Tagen von zu Hause aus weiterarbeiten.

Eine Woche später kam er wieder zu mir. Noch immer klagte er über den Druck in der Brust und reduzierte Belastbarkeit. Selbst bei kürzeren Spaziergängen und Treppensteigen trete Luftnot auf. Vor der Infektion war der Patient fast täglich gejoggt und sehr gut belastbar gewesen. Ein gründliche Untersuchung mit EKG sowie das Labor zum Ausschluss von Entzündungszeichen oder einer Myokarditis blieben allesamt ohne Befund.

Um ihn völlig zu beruhigen, schickte ich den Patienten sogar noch zum Thoraxröntgen. Als er fünf Tage danach zu mir kam, sagte er mir, dass die Schmerzen in der Brust vom Zeitpunkt des Lungenröntgens an verschwunden wären - obwohl ich ihm erst Tage später mitteilen konnte, dass auch der Röntgenbefund unauffällig war.

Im weiteren Verlauf zeigten sich keinerlei Grippesymptome wie Halsschmerzen, Husten, Gliederschmerzen, Fieber, Dyspnoe oder Druck in der Brust. Vereinzelt traten noch Angstzustände auf, die er jetzt jedoch besser kontrollieren konnte. Er hatte seine Angst vor dem Coronavirus und einer schweren Erkrankung verloren.

Angst kann Schmerzen und Beklemmungsgefühl auslösen

Der Krankheitsverlauf ist ein deutliches Beispiel dafür, wie Angst Schmerzen, besonders in der Brust, und Beklemmungsgefühl auslösen kann. Dies kann den Patienten dann noch stärker ängstigen, da er eine Herzkrankheit befürchten muss. Bei meinem sportlichen Patienten hätte man eine Neigung zu solchen Angstzuständen kaum vermutet. Aufschlussreich war dabei seine Erzählung, dass auch seine Mutter unter "Hypochondrie" leide: Sie habe vor allen Krankheiten Angst und vermute sie bei sich. Das habe ihn schon immer sehr beunruhigt.

Angst scheint eine erbliche Komponente zu besitzen oder in der Erziehung übertragen zu werden. Angst hat aber auch einen hochgradig infektiös-sozialen Charakter, was wir ganz besonders in der Corona-Krise sehen können, denn hier springt die Angst auf große Teile der Gesellschaft über.

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Dr. med. Lothar Markus

Facharzt für Allgemeinmedizin, Physikalische Therapie, Seeburgstr. 53, D-04103 Leipzig E-Mail: dr_lothar_markus@web.de