Die Bedeutung einer SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Bei etwa gleichen Infektionsraten scheint der Krankheitsverlauf milder zu sein als bei Erwachsenenen. Dafür ist das Risiko eines verzögerten multisystemischen Entzündungssyndroms erhöht. Dieses Phänomen wurde nun näher untersucht.

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Ende April 2020 berichteten britische Forscher erstmals über ein Cluster von acht Kindern, bei denen bei abnehmender Viruslast und bereits vorhandener Antikörperreaktion ein kardiovaskulärer Schock und Fieber im Rahmen einer allgemeinen Entzündungsreaktion auftraten, die eine intensivmedizinische Behandlung nötig machten. Dieses Krankheitsbild wurde in der Zwischenzeit mehrfach beschrieben und Multisystemic Inflammatory Syndrome in Children (MSI-C) benannt.

In einer Studie an 38 US-amerikanischen COVID-19-Behandlungszentren sollte dieses mit COVID-19 assoziierte, aber spät nach der Infektion auftretende Krankheitsbild aufgrund der klinischen und epidemiologischen Verläufe von 186 Kindern und Jugendlichen unter 21 Jahren näher untersucht werden. Jeder der schwer erkrankten, stationär behandelten Patienten hatte Fieber über mehr als 24 Stunden und erhöhte Entzündungsparameter im Serum. Bei allen waren mehrere Organsysteme betroffen, und es lag ein akutes Atemnotsyndrom vor.

Das mittlere Alter der Patienten lag bei 8,3 Jahren, 62% waren männlich. 92% zeigten gastrointestinale, 80% kardiovaskuläre, 76% hämatologische, 74% mukokutane und 70% respiratoriosche Symptome. Die mittlere Dauer des stationären Aufenthalts betrug 7 Tage. 80% der Patienten benötigten intensivmedizinische Interventionen, 20% mussten mechanisch beatmet werden. Vier Patienten (2%) starben. Bei 8% zeigten sich Hinweise auf ein Koronaraneurysma. Insgesamt konnten zusammen mit anderen Symptomen bei 40% Hinweise auf ein Kawasaki-Syndrom dokumentiert werden. 92% der jungen Patienten wiesen eine Erhöhung von mindestens vier Entzündungsparametern auf.

Therapeutisch wurden bei 77% intravenös Gammaglobuline, bei 49% Glukokortikoide und bei 20% IL-6-Inhibitoren eingesetzt.

MMW-Kommentar

Die Daten beschreiben eine COVID-19-assoziierte, schwere entzündliche Multiorganerkrankung bei Kindern und Jugendlichen, die zwei bis vier Wochen nach der initialen Infektion auftritt. Diese Manifestationsform ist selten, aber offenbar spezifisch für diese Altersgruppe.

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© Kind: Kirbyphoto / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

80% der Patienten werden intensivpflichtig.

Da ein relativ großer Teil der Patienten Symptome aufwies, die auch für ein Kawasaki-Syndrom typisch sind - Fieber, Lymphknotenschwellung, Hauterscheinungen, Koronaraneurysma - wurde vermutet, dass es sich um ein und dieselbe Erkrankung handelt. Jedoch trifft das MIS-C ältere Patienten, verläuft schwerer und weist eine stärkere myokardiale Beteiligung und einen ausgeprägteren Multiorgan-Charakter auf als das Kawasaki-Syndrom, das zudem noch eine ethnische Präferenz (Japaner) hat. Das MIS-C ist somit als eigenständige Spätform einer COVID-19-Infektion anzusehen.

Das MIS-C tritt zu einem Zeitpunkt auf, zu dem die Viruslast bereits abnimmt und die Antikörperkonzentration ansteigt oder schon hoch ist. Das Phänomen könnte demnach auf einer aberranten zellulären oder humoralen Immunantwort beruhen, für die wiederum genetische und/oder epigenetische Dispositionen als Auslöser infrage kommen. In jedem Fall bestätigt sich: Bei SARS-CoV-2 haben wir es mit einem infektiösen Chamäleon zu tun.

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Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. D. Reinhardt

Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Haunerschen Kinderspital, München

Quelle: Feldstein LR, Rose EB, Horwitz SM et al. Multisystem inflammatory syndrome in U.S. children and adolescents. N Engl J Med. 2020;383:334-6