Eine von Patienten angegebene Penicillinallergie wird im Praxisalltag oft nicht hinterfragt. Die Dauerdiagnose bestätigt sich aber im Hauttest in den seltensten Fällen. Ein einfacher Anamnese-Score hilft bei der Risikoabschätzung.
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In eine prospektive Studie wurden 622 Patienten (59% Frauen, Durchschnittsalter 60 Jahre) eingeschlossen, die angegeben hatten, gegen Penicillin allergisch zu sein. Dies wurde mithilfe des von den Forschern entwickelten strukturierten Anamnese-Scores PEN-FAST evaluiert:
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F: Fünf oder weniger Jahre seit der verdächtigen Reaktion auf Penicillin (2 Punkte),
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A: Anaphylaxie oder Angioödem (2 Punkte),
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S: Schwere Hautreaktion, z. B. Stevens-Johnsons-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, Eosinophilie plus systemische Symptome (2 Punkte),
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T: Therapie der allergischen Reaktion erforderlich (1 Punkt).
Zur Objektivierung wurde ein Hauttest durchgeführt. Er zeigte, dass lediglich bei 9,3% der Patienten tatsächlich eine Penicillinallergie vorlag.
Untersucht wurde nun die Aussagekraft eines Scores von > 3 Punkten. 74% der Probanden fielen in diesen Bereich, und von diesen wiesen nur 3,7% einen positiven Hauttest auf. Daraus errechnete sich ein negativer prädiktiver Wert (NPV) von 96,3% für die PEN-FAST-Anamnese. Eine weitere Validierung anhand von zwei retrospektiven Kohorten mit 334 bzw. 531 Patienten ergab ebenfalls hohe NPV von 95% bzw. 98%.
MMW-Kommentar
Eine einmal auf der Basis von Patientenangaben erhobene Diagnose Penicillinallergie wird oft nicht hinterfragt. Doch sind die Möglichkeiten der Fehldeutung gewaltig — es reicht schon ein viral bedingter Hautausschlag in der Kindheit. Patienten, bei denen der Hauttest nach 10 Jahren negativ geworden ist, haben ein sehr geringes Risiko für eine Resensibilisierung bei Penicillin- oder Betalaktamgabe [Stone CA et al. Allergy. 2020;75:273—89]. Oft bleiben anamnestischen Penicillinallergikern alle Betalaktamantibiotika verwehrt.
Die aktuelle S2k-Leitlinie empfiehlt, die frühere allergische Reaktion im ersten Schritt gemäß der Krankengeschichte des Patienten einzuordnen [Wurpts G et al. Allergo J Int. 2019;28:121—51]. Hier könnte die strukturierte PEN-FAST-Anamnese hilfreich sein. Sie ist jedoch in der aktuellen Studie nur bei Erwachsenen mit oraler Penicillinallergie evaluiert.
Quelle
Trubiano JA, Vogrin S, Chua KYL et al. Development and validation of a penicillin allergy clinical decision rule. JAMA Intern Med. 2020;180:745–52
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Kohlhäufel, M. Penicillinallergie ist meistens eine Fiktion. MMW - Fortschritte der Medizin 162, 26 (2020). https://doi.org/10.1007/s15006-020-0734-y
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