figure 1
figure 2

Prof. Dr. med. Johannes R. Bogner

© J. Bogner

Die Untersuchung des Patienten ergab normale Parameter: Er wog 75 kg bei einer Größe von 168 cm, der Blutdruck lag bei 135/80 mmHg, der Puls bei 84/min. In den letzten Monaten und Jahren waren bei ihm keine interkurrenten Krankheitsepisoden aufgetreten. Allerdings war bereits seit 20 Jahren eine HIV-Infektion bekannt. Zudem hatte der Mann vor vier Jahren eine wahnhafte Episode durchlebt und hatte deswegen stationär psychiatrisch behandelt werden müssen.

Der Hausarzt überlegte nun, ob er dermatologisch-fachärztlichen Rat einholen oder Rücksprache mit der psychiatrischen Klinik nehmen sollte. Er nahm sich zunächst noch einmal den Arztbericht der psychiatrischen Kollegen vor. Dort wurde von einer HIV-Enzephalopathie mit den Symptomen Verwirrtheit, Wahn und Schlafstörung berichtet. Man hatte im Liquor eine HIV-RNA-Konzentration von 22.530 Kopien/ml ermittelt, während gleichzeitig die Virusmenge im Plasma unterhalb der Nachweisgrenze lag. Die Zahl der CD4-Helferzellen lag bei 480/μl, also im Normalbereich > 400/μl.

Aufgrund der ZNS-Diagnose war der Patient auf eine antiretrovirale Therapie mit einer besonders guten Penetration in das ZNS umgestellt worden. Die Wahl fiel auf den Integraseinhibitor Raltegravir in Verbindung mit den beiden Nukleosid-Medikamenten Zidovudin (AZT) und Abacavir. Der Patient hatte diese Therapie gut vertragen, und es war innerhalb von drei Monaten zu einem Sistieren des Wahns gekommen. Die Virusmenge im Liquor war unter die Nachweisgrenze gesunken.

Nach Rücksprache mit dem Behandlungszentrum klärte sich der Nagelbefund auf: Es handelte sich um eine seltene, aber geradezu pathognomonische Nagelveränderung unter Zidovudin. Der Wirkstoff, 1987 als erstes HIV-Therapeutikum in den USA zugelassen, wird heute nur noch selten verwendet. Er zeichnet sich aber durch einen sehr guten Liquor-Serum-Quotienten aus.