Die Metaanalyse zur klinischen Effektivität und Sicherheit von ASS zur VTE-Prophylaxe nach Hüft- und Kniegelenksoperationen [1] hat für Diskussion in der deutschen Ärzteschaft gesorgt. Auch wir wurden mittlerweile von Orthopäden und Unfallchirurgen mit der Frage konfrontiert, ob man auf die bisher empfohlene Gabe von niedermolekularem Heparin (NMH) verzichten und einfach ASS verschreiben kann, zumal dieses Vorgehen in einem Kommentar zu der Studie im „Deutschen Ärzteblatt“ als vergleichbar effektiv und sicher wie die Gabe anderer Antikoagulanzien empfohlen wird [2].

Dieses Fazit können wir als Koordinationskomitee der AWMF-S3-Leitlinie aus mehreren Gründen nicht teilen. So hat die Metaanalyse erhebliche Schwächen, insbesondere weil in manchen Studien nicht ASS als Monoprophylaxe mit einer antikoagulationsbasierten Prophylaxe verglichen wurde. Es wurden Studien eingeschlossen, in denen ASS in Kombination mit anderen Methoden mit einer medikamentösen Monoprophylaxe verglichen wurde. Z. B. wurde in der jüngsten Publikation eine sogenannte Hybridprophylaxe aus Rivaroxaban für 5 Tage gefolgt von ASS mit einer Gabe von Rivaroxaban für den gesamten Studienzeitraum verglichen [3]. In einer anderen Studie wurde ein NMH für zehn Tage verabreicht, bevor auf ASS umgestellt wurde [4]. Eine weitere Arbeit verglich ASS plus intermittierende pneumatische Kompression mit einer NMH-Monoprophylaxe [5].

Es wurden zwei Studien eingeschlossen, die ASS mit Dextran verglichen [6, 7]. Dextran wird in nationalen und internationalen Leitlinien schon lange nicht mehr als adäquate VTE-Prophylaxe anerkannt. Die getesteten Dosierungen von ASS schwanken von 81 bis zu 3.000 (!) mg/d.

Die Fallzahlen einiger Studien sind sehr niedrig. In 7 von 13 Studien wurden weniger als 150 Patienten eingeschlossen, was aus statistischer Sicht als fragwürdig angesehen werden muss.

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Patienten nach Knie-Op. sind VTE-gefährdet.

Die Erfassung des klinischen Endpunkts war in den einzelnen Studien sehr unterschiedlich. Teils wurde objektiv hinsichtlich asymptomatischer tiefe Venenthrombosen gescreent, teils ergab sich ein Verdacht auf ein asymptomatisches Ereignis durch klinische Beobachtung, welcher anschließend verifiziert werden musste.

Wir kommen zu dem Schluss, dass die Metaanalyse keinen Anlass gibt, die Empfehlungen der evidenzbasierten S3-Leitlinie zu revidieren. Zur wirksamen medikamentösen VTE-Prophylaxe gilt weiterhin, dass ASS nur in begründeten Einzelfällen eingesetzt werden soll. Zugelassene Arzneimittel sind Heparine, Danaparoid, Faktor-Xa-Inhibitoren, Thrombininhibitoren und Vitamin-K-Antagonisten. Dagegen ist ASS einer Metaanalyse [8] zufolge nur schwach wirksam. Da wirksamere Medikamente allgemein zur Verfügung stehen, rät die Leitliniengruppe von der Verwendung dieses Wirkstoffs zur VTEProphylaxe ab [9].

Somit verbleibt die Gabe von ASS zur primären VTE-Prophylaxe im Bereich der Off-label-Anwendung.