Es war vor einigen Wochen im ärztlichen Notdienst. Mein Fahrer und ich wollten uns beim Bäcker eine kleine Stärkung besorgen, als sich eine Frau aufgeregt auf uns zu bewegte und sagte, dass ihr Cousin von einer Schlange gebissen worden sei.

Der Gebissene stand nur wenige Meter entfernt, war sehr aufgeregt und schwitzte. Sein Puls lag deutlich über 100, und ich war alarmiert. Ich maß seinen Blutdruck, der bei 160/95 mmHg lag. Herz und Lunge waren bis auf die Tachykardie unauffällig. Ich fragte ihn, was passiert sei. Er gab an, dass ihn eine Schlange in seinem Auto gebissen habe, und zeigte mir die Bisswunde.

An „gefährlichen“ Schlangen fielen mir sofort die Blindschleiche und die Ringelnatter ein. Die einzige Giftschlange in Deutschland, die ich kannte, war die Kreuzotter, von der ich bisher nur einmal im Leben im Wald ein Exemplar gesehen hatte und die sich normalerweise nicht in einem Auto aufhält. Bei näherem Hinsehen sah die „Bisswunde“ verdächtig nach einem Wespenstich aus. Auf meine Frage nach Allergien, insbesondere einer Wespen- oder Bienengiftallergie, antwortete der Mann mit einem klaren Nein. Die Schlange habe er allerdings nicht gesehen. Dazu sei alles zu schnell gegangen.

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In Deutschland sind Giftschlangen an sich selten.

© Mark Kostich / Getty Image / iStock

Ich verlegte mich auf die Wespen- oder Bienengifthypothese. Da eine Allergie durchaus sehr gefährlich sein kann, spritzte ich ihm ein Antihistaminikum und behandelte seine „Bisswunde“ mit einer abschwellenden Salbe. Inzwischen hatte er sich auch beruhigt, sein Puls war wieder normal und er schwitzte nicht mehr.

Eine Woche später sah ich den Mann wieder. Er rief mir einen fröhlichen Gruß zu.