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Prof. Dr. med. H.-C. Diener Klinische Neurowissenschaften, Universität Duisburg-Essen

In einer offenen, randomisierten Studie der Universität Duisburg-Essen erhielten 59 Patienten mit chronischen Rückenschmerzen über drei Wochen hinweg eine übliche Standardtherapie, während 63 Patienten zusätzlich täglich ein Placebo einnahmen. Primärer Endpunkt war die Änderung der Schmerzintensität. Sekundäre Endpunkte waren die berichtete funktionelle Einschränkung und die objektive Beweglichkeit der Wirbelsäule. Auch Depressivität, Angst und Stress wurden erfasst.

Die Schmerzintensität wurde auf einer Skala von 0—10 gemessen. Sie stieg in der Standardtherapiegruppe von einem Ausgangswert von 5,25 über die drei Wochen um 0,11 Punkte. In der Gruppe mit Placebo nahm sie von 5,5 um 0,62 Punkte ab. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,001). Signifikante Unterschiede fanden sich zudem für die vom Patienten wahrgenommene Behinderung. Auch die Werte auf den Depressionsskalen verbesserten sich mit der offenen Placebogabe deutlicher. Dagegen hatte sie keinen Einfluss auf die Beweglichkeit der Wirbelsäule, auf Angst oder auf Stress.

MMW-Kommentar

Dies ist die bisher größte Studie zur Wirksamkeit der unverblindeten Placebogabe bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Bisher wurde angenommen, dass eine Verblindung notwendig ist, um einen Placeboeffekt zu erzielen — indem eine entsprechende Erwartungshaltung beim Patienten hervorgerufen wird, die dann die entsprechenden physiologischen Veränderungen im Gehirn herbeiführt. Die Studie aus Essen zeigt aber, dass ein Placebo offenbar auch dann wirksam sein kann, wenn es offen gegeben wird.

Die Mechanismen, die hier dem Placeboeffekt zugrunde liegen, sind bisher nicht bekannt. Die Studie ändert auch nichts daran, dass es ethisch nur schwer vertretbar wäre, Patienten mit chronischen Rückenschmerzen allein mit Placebo zu behandeln.