_ Die Erlebnisgeschichten in der MMW sind unterhaltsam — leider bekam ich aber beim Lesen des Artikels „Da wird jeder Bienenstich zum Glücksspiel“ erhebliche Bauchschmerzen. Der Kollege beschreibt eine typische anaphylaktoide Reaktion (Stufe 2) nach Bienenstich. Aufgrund der eingetretenen Kreislaufprobleme wäre sicherlich die sofortige intramuskuläre Gabe von Adrenalin indiziert gewesen, i.v. Kortison und Antihistaminikum wirken viel zu langsam.

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Und sie hat das Biest gar nicht provoziert!

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Das ist ein klassischer Fehler in der Anaphylaxiebehandlung. Ich frage mich immer wieder, warum die Kollegen sich scheuen, bei Anaphylaxien Adrenalin zu verabreichen.

Ich würde daher den Artikel umbenennen in: „Da wird jede Behandlung nach Bienestich zum Glücksfall“.

Antwort des Autors:

Ich habe bei meiner Falldarstellung nicht erwähnt, dass dieser Notfall sich bereits vor über 30 Jahren ereignet hat. Damals war man mit Adrenalininjektionen sehr zurückhaltend. Der Grund: Adrenalin kann bei Patienten mit bekannter und unbekannter schwerer KHK oder hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie, aber auch bei anderen schweren Herzkrankheiten und Hyperthyreose zu Todesfällen führen. Auch heutzutage wird empfohlen, Patienten vor der Ausstattung mit einem Adrenalin-Autoinjektor durch einen Kardiologen untersuchen zu lassen.

Abgesehen davon und angewendet auf unsere Zeit hat der Kollege völlig Recht. Heutzutage hätte man bei dieser wahrscheinlich anaphylaktoiden Reaktion auf Bienengift gemäß der (leider nun auch schon acht Jahre alten) Leitlinie „Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengiftallergie“ Adrenalin injiziert. Es ist schon erstaunlich, wie sich im Lauf der Jahrzehnte die therapeutische Empfehlung ändert.

Betablocker z. B. galten während meines 3. Staatsexamens bei Herzinsuffizienz als kontraindiziert. Im Staatsexamen wäre man durchgefallen, wenn man einem Herzinsuffizienten Betablocker verordnet hätte. Heute gehören Betablocker zu den wirksamsten Medikamente bei Herzinsuffizienz.

Oder ein anderes Beispiel: Früher wurden alle älteren Patienten „digitalisiert“ unter der Vorstellung, dass jedes ältere Herz positiv inotrope Digitalisglykoside braucht. Digitalisintoxikationen waren an der Tagesordnung. Außerdem hat man die Herzinsuffizienz mit dieser Medikation vorangetrieben.