figure 1

Jutta Falke-Ischinger

_ Eine Verbesserung der Organspende ist leider nicht in Sicht. Wieder einmal hat die deutsche Politik die Widerspruchslösung verhindert, nach nunmehr 45 Jahren Diskussion. Für die vielen Wartenden ist das eine große Enttäuschung — ebenso wie für das Ausland, das nicht fassen kann, dass Deutschland angesichts der dramatisch schlechten Zahlen nicht den Kurswechsel vollzieht, der sich anderswo bewährt hat. Auch für unseren Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Organspende fester in der Gesellschaft zu verwurzeln, ist es ein Rückschlag.

Dass Organspende alle angeht, dass sie Gemeinschaftsaufgabe sein sollte — dafür fand sich im Parlament keine Mehrheit. Im Gegenteil: Gegner der Widerspruchslösung waren erfolgreich mit ihrem Narrativ, das Transplantationswesen wie auch das Leid der Wartepatienten dem unheimlichen Komplex „Organspende“ unterzuordnen. Abstand halten schien hier eher geboten als Solidarität mit den Kranken. Diese Haltung nahmen im Kern sogar die Kirchen ein, denen die Freiheit auf Nicht-Entscheidung mehr wert zu sein schien als das Gebot der Lebensrettung.

Wo also stehen wir jetzt? Nicht nur wurde eine sinnvolle Neuregelung abgeschmettert, auch gibt der beschlossene Gesetzesentwurf mehr Probleme auf als Antworten. Ein nationales Spenderregister ist sicher richtig, hat aber hohe technische und rechtliche Hürden. Und werden die Bürgerämter technisch und personell in der Lage sein, jeden auf die Organspende „hinzuweisen“? Der Beamtenbund hat bereits Bedenken angemeldet (leider nach der Abstimmung).

figure 2

Künftig mehr Organe aus Deutschland?

© fstop123 / Getty Images / iStock

Tragt das Thema in die Familie!

Auch die Hausärzte sollen eine gewichtige Rolle spielen. Alle zwei Jahre sollen sie zur Organspende beraten, nach Bedarf, ergebnisoffen. Auch dies muss noch präzisiert werden.

Das Arzt-Patienten-Gespräch bietet aber eine große Chance, denn jenseits der Aufklärung über klinische Abläufe und Möglichkeiten der Lebensrettung gibt es v. a. eine Kernbotschaft, die die Ärzte den Patienten mitgeben können: Tragt das Thema in die Familie! Tabuisiert es nicht, bildet euch eine Meinung und besprecht mit den Angehörigen, wie jeder einzelne dazu steht.

Eine schriftliche Willensbekundung liegt derzeit nur bei 15% der möglichen Organspender vor. In allen anderen Fällen werden die Angehörigen befragt. Ist diesen der Wille des Verstorbene nicht bekannt, lehnen sie eine Entnahme der Organe zur Transplantation in den meisten Fällen ab. 2019 beruhten 41% der Ablehnungen auf einer alleinigen Entscheidung der Angehörigen!

Hier gilt es anzusetzen. Während sich die Politik schwertut, Verbesserungen bei der Organspende mehr Dringlichkeit zu geben, ist es jetzt an der Gesellschaft selbst, Solidarität zu üben. Im Gegensatz zum Bundestag waren laut ZDF-Politbarometer mehr als 60% der Deutschen für die Widerspruchslösung. Am Tag der Bundestags-Abstimmung wurden so viele Organspende-Ausweise bestellt, dass kurzzeitig die Server der Behörden zusammenbrachen.

Diese Woge der Solidarität darf nicht verebben. Jeder sollte nach seinen Möglichkeiten dafür sorgen, dass der Gedanke an Organspende bei uns zur Selbstverständlichkeit wird. Der Arzt-Patienten-Austausch bietet hierzu eine einzigartige Gelegenheit!