_ Abhängigkeitsstörungen sind oft mit einer psychiatrischen Erkrankung assoziiert. So entwickeln ca. 30% der schizophrenen und ca. 20% der depressiven Patienten einen sekundären Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Bei Angststörungen sind es bis zu 50% und bei Persönlichkeitsstörungen sogar bis 70%. Umgekehrt entwickeln 30% der Alkohol- oder Tablettenabhängigen eine Depression oder Angststörung. „Diese Patienten sind jünger, überwiegend Männer, und sie unternehmen häufiger einen Suizidversuch“, erklärte Prof. Thomas Leyhe, Basel.

Das gemeinsame Auftreten von Depression und Sucht ergibt sich aus den gemeinsamen gesundheitlichen und sozialen Risikofaktoren wie soziale Isolierung und Einsamkeit. Die wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktoren sind Multimorbidität, Schlaflosigkeit und lange Behandlungsdauer mit Medikamenten. „Abhängigkeit und Depression bilden einen Circulus vitiosus, d. h. das eine bedingt das andere“, so Leyhe.

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Abhängigkeit und Depression bilden ein fatales Gespann.

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Beides sollte therapiert werden

Das gleichzeitige Vorhandensein einer Alkohol-assoziierten Störung macht die Behandlung einer vorhandenen Depression unwahrscheinlicher und die Adhärenz ist schlechter. Auch sinkt bei dieser Komorbidität die Ansprechwahrscheinlichkeit von Antidepressiva. Allerdings kann durch die Gabe von Antidepressiva die Trinkmenge reduziert werden. „Grundsätzlich gilt: Die erfolgreiche Behandlung der einen Störung verbessert die Behandlungschancen für die andere Störung, sodass immer beides behandelt werden sollte“, so Leyhe. Deshalb sei es sinnvoll, mit der antidepressiven Therapie sofort zu beginnen und nicht abzuwarten, bis der Entzug vorbei ist. Doch die Rückfallrate ist erhöht.

Antidepressiva sorgfältig auswählen

Bei der medikamentösen antidepressiven Therapie muss man berücksichtigen, dass bei vielen Betroffenen bereits die Leberfunktion gestört ist. Der First-pass-Effekt und die hepatische Clearance können deshalb reduziert sein. Daraus resultiert eine erhöhte ZNS-Sensitivität für Benzodiazepine und Opiate. Deshalb müssen Substanzen mit einem hohen First-pass niedriger dosiert werden. Dazu gehören die Antidepressiva Sertralin, Mianserin, Venlafaxin und Trimipramin, die Antipsychotika Quetiapin, Chlorprothixen und das Hypnotikum Midazolam. Weniger problematisch, da sie eine niedrige hepatische Extraktion zeigen, sind die Schlafmittel Zolpidem, Oxazepam, Lorazepam, Diazepam und die Antidepressiva Fluoxetin, Citalopram, Escitalopram, Maprotilin und Trazodon. Grundsätzlich sollten Substanzen mit leberschädigendem Potenzial nicht eingesetzt werden. „Medikamente der ersten Wahl sind SSRI“, so Leyhe.

Bei Patienten mit einer zerebralen Schädigung sollten anticholinerge Substanzen vermieden werden.