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Prof. Dr. med. Klaus Weckbecker

_ Obwohl mittlerweile eine dreiviertel Million Menschen in Pflegeeinrichtungen leben, existieren keine Leitlinien zur Versorgung in diesem Umfeld. Die Pflegeeinrichtung ist in der Regel der (letzte) Wohnort des Patienten. Die Bewohner der Pflegeeinrichtungen erhalten Unterstützung bei den Alltagstätigkeiten, auf die sie angewiesen sind.

Strukturelle Faktoren wie die Zunahme der Lebenserwartung, der Ausbau der ambulanten Pflege, der 24-Stunden-Pflege und Kosten der Pflegeeinrichtungen führen dazu, dass der Unterstützungsbedarf der Heimbewohner zunimmt. Patienten, die vor 20 Jahren nur in der stationären Pflege leben konnten, werden heute durchaus in der eigenen Wohnung versorgt. Umgekehrt bedeutet dies, dass Heimbewohner meist multimorbid sind und ihre Lebenserwartung sehr begrenzt ist.

Der Wille des Patienten ist das entscheidende Kriterium.

PD Dr. Bleckwenn hat in seinem Übersichtsartikel daher hilfreiche Checklisten zur Versorgung der Patienten im Pflegeheim zusammengestellt und die Besonderheiten dieses Settings herausgearbeitet. Auf der einen Seite fehlt oft eine Mitbehandlung durch Spezialisten. Der Hausarzt muss daher ein breiteres Spektrum an Erkrankungen abdecken. Teilweise ist der Wechsel des Wohnortes ins Pflegeheim gleichzeitig auch ein Arztwechsel. Der Erstkontakt mit diesen älteren, multimorbiden und auf Unterstützung angewiesenen Patienten muss vorbereitet werden. Bleckwenn schlägt ein strukturiertes Vorgehen vor. Dies gilt auch für Patienten in der Kurzzeitpflege, die zum Teil plötzlich und unvorbereitet nach einem Krankenhausaufenthalt dorthin verlegt werden.

Auf der anderen Seite befindet sich der Hausarzt im Heim in einem Behandlungsteam mit den Pflegekräften. Im Gegensatz zum Ausland muss sich in Deutschland das Pflegepersonal auf eine Vielzahl von Hausärzten und teilweise auch Spezialisten in einem Heim einstellen. Das ist alles andere als einfach!

Einen weiteren Schwerpunkt legt Bleckwenn auf die Vermeidung der Polypharmazie. Zwar ist uns Hausärzten bewusst, wie problematisch die Verabreichung von mehr als fünf Substanzen pro Patient ist. Aber schauen Sie bei Ihrer nächsten Heimvisite mal in den Medikationsschrank! Die Reduktion auf diese fünf Substanzen ist offensichtlich schwer und vielleicht manchmal auch unerreichbar.

Daher vertieft Maercks in seinem Beitrag die Reduktion der Medikation an Hand von Beispielen. Ärzte lernen in ihrem Studium und in der Weiterbildung sowie Fortbildung, wann welche Medikamente indiziert sind und gegeben werden sollten. Aber wann und wo lernen sie, wie sie Medikamente absetzen? Diese Frage ist eine der Herausforderungen der modernen Medizin. Bisher gibt es nur vereinzelt wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema. Maercks hat einige konkrete Beispiele zusammengetragen, die eine Anregung sein sollen zu überlegen, bei welchen Präparaten ein Absetzen in Betracht gezogen werden kann. Die individuelle Entscheidung muss der Arzt aber zusammen mit dem Patienten treffen.

Die ärztliche Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung ist anspruchsvoll. Strukturiertes Vorgehen und konkrete Beispiele für Situationen, in denen Medikamente abgesetzt werden sollten, können helfen. Die einzelnen Entscheidungen werden aber individuell in Absprache mit dem Pflegepersonal und vor allem mit dem Patienten selbst getroffen. Der Wille des Patienten bleibt das entscheidende Kriterium.