_ Bei den Atemwegsinfekten sind in Europa bis zu 80% der Antibiotikaverordnungen nicht indiziert, denn neun von zehn dieser Infektionen sind viral bedingt. Mit jedem Antibiotikum verschärft sich aber die ohnehin schon kritische Resistenzlage. Einem Bericht der Europäischen Seuchenbehörde ECDC zufolge sterben in der EU jährlich 33.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Keimen.

Therapievorschlag vom Computer

Elektronische Computertools können den Arzt bei der Wahl des richtigen Medikaments unterstützen. Ob dies in der Erkältungssaison gelingt, haben Marin Gulliford vom King’s Kollege London und Kollegen in einer einjährigen randomisierten kontrollierten Studie untersucht. 79 Praxen nahmen entweder an einer Antibiotic-Stewardship(ABS)-Intervention (348.158 Patienten) teil oder behandelten Erkältungspatienten wie bisher (Kontrollgruppe, 275.490 Patienten). Die Intervention beinhaltete ein sechsminütiges Online-Training, eine monatliche Rückmeldung zur Antibiotikaverordnung sowie ein elektronisches Tool zur Unterstützung bei der Wahl der geeigneten Therapie. Hinzu kamen Informationen für Patienten und Ärzte zur voraussichtlichen Dauer der Symptome sowie Empfehlungen zur Selbstbehandlung.

Erkältungen: 12% Antibiotika gespart

Die Analyse der elektronischen Patientenakten ließ erkennen, dass die ABS-Intervention insgesamt erfolgreich war. In den Praxen mit digitaler Unterstützung wurden Erkältungspatienten 12% weniger Antibiotika verschrieben als in den Kontrollpraxen.

Allerdings zeigte sich dieser Effekt vor allem bei Personen zwischen 15 und 84 Jahren. In dieser Altersgruppe waren die Antibiotikaverordnungen gegenüber der Kontrollgruppe um 16% gesunken. Kindern und Senioren ab 85 Jahren dagegen wurden bei Erkältungssymptomen auch weiterhin nahezu wie gewohnt Antibiotika verordnet. Die Einsparraten in diesen Altersgruppen lagen nach der Intervention bei gerade mal 4% bzw. 3%.

Trotz geringeren Antibotikaverbrauchs nahm die Zahl schwerer bakterieller Erkrankungen wie Pneumonie oder Scharlach insgesamt nicht zu.

Sinusitis: 31% weniger Antibiotika

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Kohortenstudie von Regina Ginzburg von der St. John’s University, Queens, und Kollegen. Hier wurden die Ärzte jedes Mal, wenn sie den entsprechenden ICD-9-Code in die digitale Patientenakte eingaben, durch computergestützte Leitlinien an die „best practice“ erinnert. Die Folge: Bei 277 Patienten mit akuter Sinusitis reduzierten sich die Antibiotikaverschreibungen gegenüber 161 Personen einer Vergleichsgruppe ohne diese Hilfe um 31%. Zudem verdoppelte sich nach Einführung der digitialen Hilfe die Wahrscheinlichkeit, dass das richtige Medikament verschrieben wurde.

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