_ Aszites, gastroösophageale Varizen, hepatorenales Syndrom, Leberzellkarzinom und die hepatische Enzephalopathie — das sind die typischen Komplikationen einer Leberzirrhose. „Nicht selten wird die Erstdiagnose Leberzirrhose erst bei Auftreten einer solchen Komplikation gestellt“, so Prof. Peter R. Galle, Mainz. Bei jedem zehnten Betroffenen falle primär die hepatische Enzephalopathie (HE) auf.

Häufiger Unfälle

Die HE ist eine neuropsychiatrische Komplikation, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Betroffen sind Psychomotorik, Intellekt, Kognition, Emotion, Verhalten und Feinmotorik. „Diese Symptome sind grundsätzlich bei adäquater Therapie reversibel“, erklärte PD Tobias Müller von der medizinischen Universitätsklinik der Charité in Berlin. Das Symptomspektrum reicht von minimalen Konzentrationsstörungen über eine Minderung der Bewusstseinslage mit „flapping tremor“ bis hin zu starker Verwirrtheit und zum Koma.

Bei leichter Symptomatik fühlt sich der Patient meist nicht krank. Doch die Hälfte der Patienten mit minimaler HE entwickelt innerhalb von 6 Monaten eine manifeste HE. Kommt es zum Koma, beträgt das Sterberisiko 80%. Deshalb sei es wichtig, so Müller, an die HE zu denken, zumal auch die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt sein kann. „HE-Patienten verursachen häufiger Unfälle, die Arbeitsfähigkeit ist beeinträchtigt und insgesamt ist auch die Mortalität erhöht.“

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Neuropsychiatrische Komplikationen der Leberzirrhose erhöhen die Unfallgefahr.

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Senkung des Blutammoniakspiegels

Die Ursache der HE ist die eingeschränkte Ammoniak-Entgiftung, die durch Niereninsuffizienz und Muskelschwund verstärkt wird. Es gibt eine Reihe von prädisponierenden Faktoren: Stoffwechselstörungen, Elektrolytentgleisungen, Niereninsuffizienz, erhöhte Stickstoffbilanz, z. B. bei Blutung, durch Medikamente, Infektionen und portosystemische Shunts. Am Anfang der Therapie steht deshalb immer die Korrektur des Auslösers, soweit das möglich ist.

Die therapeutischen Ansätze sind die Optimierung der Ammoniak-Entgiftung in Leber und Muskeln, die Reduzierung der intestinalen Ammoniak-Produktion und -resorption sowie die Unterstützung der renalen Ammoniak-Elimination. Nicht resorbierbare Disaccharide wie Lactulose und Lactitol reduzieren die Resorption und fördern die Ausscheidung von Ammoniak über den Stuhl. Eine andere Option ist das darmselektive Antibiotikum Rifaximin. Für die Optimierung der Ammoniakentgiftung steht mit L-Ornithin-L-Aspartat ein dualer Wirkansatz zur Verfügung. Dadurch wird einmal der Harnstoffzyklus durch Bereitstellung der Substrate Ornithin und Aspartat aktiviert, andererseits wird die Ammoniakentgiftung über die Glutaminsynthese in Leber, Gehirn und Muskulatur stimuliert.

Findet sich ein auslösender Faktor und kann dieser erfolgreich behandelt werden oder bessern sich Leberfunktion oder Ernährungsstatus, kann die prophylaktische HE-Therapie beendet werden.