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Dr. med. Thomas Fischbach

_ Ist mit der Einführung der Masernimpfpflicht das Ziel erreicht? Ich meine: Nein. Die Pflicht ist ein wichtiger erster Schritt, um die Menschen hierzulande besser gegen eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten zu schützen, die v. a. bei abwehrgeschwächten Patienten zu schweren Komplikationen wie Lungen- oder Hirnhautentzündungen und sogar zum Tod führen kann.

All die Impf-Aufklärung und -Appelle der letzten Jahre haben nicht dazu geführt, dass mindestens 95% der deutschen Bevölkerung über eine ausreichende Immunität gegen Masern verfügen und damit ein Herdenschutz ausgebildet wird, mit dem man die Masern endlich eliminieren könnte. Ein Blick auf die Schuleingangsuntersuchungen von 2017 zeigt, dass 3% aller Kinder die erste und gut 8% die zweite Schutzimpfung nicht erhalten haben. Der Barmer Arzneimittelreport kommt sogar zu dem Ergebnis, dass bei Schuleintritt nur knapp 90% der Kinder vollständig gegen Masern und weitere Infektionskrankheiten geimpft sind. Diese Werte sind definitiv zu niedrig; dies verhindert die Ausrottung der Masern.

Wir haben es also im Fall von Masern gar nicht so sehr mit den wenigen Impfgegner zu tun, die mit Fake News gegen den Impfschutz wüten, sondern hauptsächlich mit elterlicher Nachlässigkeit. Sie sorgt dafür, dass es noch zu viele Ungeimpfte gibt, dass immer wieder Masern ausbrechen und immer wieder Menschen mit lebenslangen Behinderungen zurückbleiben.

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In die Kita nur noch mit Masernimpfung.

© LightFieldStudios / Getty Images / iStock

Noch schlechter sieht es übrigens bei Erwachsenen aus, von denen nicht einmal 50% gegen Masern geimpft sind. Auf Erwachsene entfällt rund die Hälfte aller Neuerkrankungen.

Ärzte müssen Angebot verbessern

Wir sind davon überzeugt, dass das geplante Gesetz helfen wird, die Impfquoten zu erhöhen. Aber auch wir Ärzte haben Hausaufgaben zu machen. Wir müssen Impfungen so unkompliziert wie möglich machen — durch noch einfacheren Zugang zu unseren Praxen, durch Recallsysteme und durch den elektronischen Impfausweis. Die Impfung in der Apotheke lehnen wir dagegen ab, allein schon weil Aufklärung und Beratung zu wichtig sind. Bisher noch nicht ausgeschöpft sind die Möglichkeiten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dieser müsste allerdings finanziell und personell deutlich besser ausgerüstet werden, um insbesondere allgemeine Impfsprechstunden anbieten zu können.

Der Deutsche Ethikrat behauptet, dass eine gesetzliche Impfpflicht gegen Masern kontraproduktiv wirken könnte, weil die Menschen denken könnten, dass andere Impfungen nicht so wichtig sind. Eine höhere Impfrate bei Masern könnte vielleicht schlechtere Raten etwa gegen HPV oder Windpocken nach sich ziehen. Wir denken, dass das Gesetz in Deutschland im Gegenteil dazu führen wird, dass sich gerade impfmüde Menschen wieder intensiver mit dem Nutzen von Impfungen beschäftigen werden.

Wir Ärzte müssen dann zur Stelle sein und die Ratsuchenden umfassend aufklären. Sollte es bei der isolierten Impfpflicht für Masern bleiben, müssten wir alles dafür tun, die Menschen zu überzeugen, sich aus Verantwortung für sich selbst und die Allgemeinheit freiwillig impfen zu lassen.

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