_ Auf das Wochenende hatte ich keine Lust. Samstag und Sonntag Fahrdienst, 24 Stunden lang — und am Montag ging es gleich weiter. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon den ersten nervigen Patienten mit irgendeiner Lappalie. Ich war in letzter Zeit wegen der vielen Arbeit in unserer Hausarztpraxis öfters verärgert oder gereizt gewesen.

Doch am Sonntagmorgen erwachte ich gut ausgeruht. Mein Auto stand befüllt mit allem wichtigen Zubehör bereit. Zu verträglicher Zeit rief die Bereitschaftszentrale an und teilte mir zwei Fälle zu. Keiner davon klang so wirklich nach dringendem Hausbesuch, aber ich machte mich auf den Weg. Unterwegs fiel mir auf, wie schön grün und frisch sich die Natur bei uns am Untermain präsentierte. Die 20 Kilometer Fahrt erfreuten meine Augen und mein Herz.

Ich traf zunächst auf einen netten, 60-jährigen insulinabhängigen Diabetiker, der mit einem grippalen Infekt in den Seilen hing und meine moralische und medikamentöse Unterstützung benötigte. Der zweite Patient, der 84-jährige Seniorchef eines Busunternehmens, war am Morgen gestürzt und bedurfte jetzt der Nachsorge. Auch dies war nicht schwierig, und der alte Herr verwöhnte mich mit Humor und Komplimenten.

Zufrieden fuhr ich weiter durch die sonnige Landschaft. Auf dem Marktplatz in Miltenberg, dem sogenannten „Schnatterloch“, spendierte ich mir ein kleines Eis, und für einen Espresso war auch noch Zeit. Ich legte mein Diensthandy auf den kleinen Bistrotisch und genoss das bunte Treiben.

Überall gut gelaunte und entspannte Menschen. Leckere bunte Eisbecher und Drinks, geschäftige Kellner, vorbeiziehende Touristengruppen in farbenfroher Kleidung, über allem die ruhigen Gitarrenklänge eines alten Troubadours. All das wirkte belebend und freundlich auf mich ein.

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Ein sonniger Zwischenstopp am „Schnatterloch“, ein Espresso — so angenehm kann Wochenenddienst sein!

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Seltsam: Da muss man erst Notdienst schieben, um die Arbeit so richtig genießen zu können. Ich nahm mir vor, die Atmosphäre des Moments zurück in die Praxis zu bringen.