_ Die Diagnostik und Therapieeinleitung einer rheumatischen Erkrankung ist ein Wettlauf mit der Zeit. Studien zeigen, dass die Gefahr bleibender Gelenkdestruktionen ansteigt, je mehr Zeit zwischen der Erstvorstellung des Patienten und der Einleitung einer rheumatologischen Therapie vergeht. „Das Zeitfenster liegt bei zwölf Wochen. Beginnt die Therapie später, können die Schäden nicht mehr wettgemacht werden“, erklärte Prof. Gunter Aßmann, Universitätsklinik für Innere Medizin I in Homburg/Saar.

Nadelöhr in der Versorgung

Das Nadelöhr in der Patientenversorgung ist der Termin beim Fachrheumatologen. Für eine gute Versorgung wären 2–3 Rheumatologen pro 100.000 Erwachsene notwendig. Tatsächlich versorgen je nach Bundesland nur 0,7 bis 1,43 (im Schnitt 0,93) Rheumatologen 100.000 Erwachsene, berichtete Aßmann. Entsprechend warten viele Patienten deutlich länger als 12 Wochen auf einen Termin. Die Rheumatologen sind sich des Dilemmas bewusst und suchen nach Wegen, die Situation zu verbessern.

Ansatzpunkt Nummer 1: Die Treffsicherheit der Zuweiser muss verbessert werden. Es sollte sichergestellt werden, dass der Großteil der überwiesenen Patienten tatsächlich an einer rheumatologischen Erkrankung leidet. Dazu notwendig ist eine bessere Früherkennung rheumatologischer Leitbefunde:

  • Arthritis kleiner und mittelgroßen Gelenke, oft mit symmetrischen Mustern an den Fingern

  • Weiche, teigige Schwellung der Finger mit tastbarer Synovitis bei der Arthritis — im Unterschied zur verhärteten, nicht wegdrückbaren Auftreibung bei der Fingerarthrose

  • Erhöhte CRP-Werte und BSG

  • Bei Arthritis Besserung durch Kälte, bei Arthrose durch Wärme

  • Typische Veränderungen an Haut (auch anamnestisch und in der Familie) und Nägeln sowie die Daktylitis und Enthesiopathie bei der Psoriasis-Arthritis

  • Der entzündliche Rückenschmerz beim relativ jungen Patienten, der v. a. nachts auftritt und mit der Bewegung besser wird (V. a. M. Bechterew)

  • Die ausgeprägte Sonnenempfindlichkeit der jungen Frau (V. a. Lupus)

  • Der neu auftretende Muskelkaterschmerz im Schultergürtel mit Krankheitsgefühl beim über 50-Jährigen (V. a. Polymylagia rheumatica).

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Sie sollte rasch zum Rheumatologen.

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Ansatzpunkt Nummer 2: Das verbesserte Zuweisungsmanagement. „Wenn Sie einen begründeten Verdacht haben, dann rufen oder mailen Sie Ihren Rheumatologen an, dann sollten Sie in der Regel einen Termin in 4–8 Wochen erhalten“. Aßmann bietet einen „Anmeldebogen“ an, bei dem der Zuweiser z. B. BSG- und CRP-Werte mit Datum, „zwei oder mehr geschwollene und schmerzhafte Gelenke mit Dauer“ sowie „Morgensteifigkeit mit der Dauer in Minuten“ einträgt.

Remission ist realistisch

„Früherkennung rheumatologischer Leitbefunde führt zur einer raschen Diagnose und zügigen antirheumatischen Therapieeinleitung, und das bedeutet, dass der Patient eine bessere Prognose weniger Folgeschäden und häufig auch einen geringeren Therapiebedarf aufweist,“ so Aßmann. Eine therapiefreie Remission für einige Zeit sei für viele Patienten ein realistisches Ziel. Aßmann gestand aber ein, dass Biologika in Deutschland generell noch zu zögerlich eingesetzt werden.