_ Seit der Einführung der Nukleotid-Prodrug Tenofovir-Alafenamid (TAF) als Backbone-Bestandteil aktueller Ein-Tabletten-Regimes (STR) mehren sich die Berichte über Gewichtszunahmen, die zumindest zeitlich mit der Umstellung von einem TDF (Tenofovir-Disoproxil)- auf ein TAF-haltiges Regime assoziiert zu sein scheinen. Mittlerweile liegen Daten aus mehreren — retrospektiven — Studien vor, die dies bestätigen.

Zunahme bei 70% der Patienten

Die erste statistisch belastbare Studie dieser Art stammt von einer Arbeitsgruppe aus dem Klinikum der Universität München: Das Team um Prof. Johannes Bogner verglich die Gewichtsverläufe von 129 HIV-Patienten, die von einem TDF- auf ein TAF-haltiges STR umgestiegen waren, mit denen von 112 Patienten, die bei ihrem TDF-Regime geblieben waren, und zwar jeweils über 360 Tage. In diesem Zeitraum stieg das Körpergewicht in der zu TAF gewechselten Gruppe im Mittel um 3,17% und damit signifikant, in der Vergleichsgruppe dagegen nur um 0,55%. Insgesamt hatten in der TAF-Gruppe 70% der Patienten an Gewicht zugelegt. 19% wiesen einen Anstieg von mindestens 10% gegenüber dem Ausgangswert auf. Das Durchschnittsgewicht in der Gruppe der umgestellten Patienten war von 77,76 kg vor der Umstellung auf 80,08 kg angestiegen.

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Der Pathomechanismus, der hinter diesen Beobachtungen steckt, ist nach Bogner et al. noch unklar. Mit der retrospektiven Studie habe man lediglich eine Assoziation, aber keine Kausalität zeigen können. Man könne jedoch folgern, dass es „für einzelne Patienten zu einer interventionsbedürftigen Zunahme kommen kann.“ HIV-Patienten, die eine unerwünschte Gewichtszunahme bei sich beobachten, sollten auf die Möglichkeit des Zusammenhangs mit der ART hingewiesen werden. Eine erneute Therapieumstellung aufgrund der Gewichtsprobleme sei allerdings nicht zu empfehlen.

Pathomechanismus unklar

Eine relevante Gewichtszunahme ließ sich in einer aktuellen Kohortenstudie (NA-ACCORD) auch unter Integrasehemmern (INI) nachweisen: Bei insgesamt 24.000 therapienaiven HIV-Patienten wurde die ART entweder auf der Basis eines INI, eines Proteaseinhibitors (PI) oder eines NNRTI begonnen. Zwei Jahre später zeigte sich, dass die INI-Gruppe (n = 4.740) deutlich am stärksten zugenommen hatte. Der Gewichtszuwachs war im ersten Jahr (+ 5 kg) und unter Dolutegravir am größten. Inwieweit der Backbone (insbesondere TAF) oder auch weitere Faktoren wie das Alter der Patienten, der CD4-Nadir oder ein metabolisches Syndrom eine Rolle gespielt hatten, ließ sich nicht klären.

Empfehlen Sie Bewegung!

Prof. Matthias Stoll, Hannover, hält es für möglich, dass es sich um einen unspezifischen, womöglich immunologisch bedingten Effekt handle: „Vielleicht steigt einfach nur dadurch, dass wir die Therapie ändern, das Gewicht.“ Bevor man Genaueres wisse, solle man Patienten, die unter der ART über Gewichtsprobleme klagen, in erster Linie zu mehr Bewegung raten.