1. Auch bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz soll ein akutes Koronarsyndrom bei entsprechenden Hinweisen ausgeschlossen werden.

„Die Empfehlung klingt trivial“, räumte Prof. Jan Galle vom Klinikum Lüdenscheid ein. Auf die Umsetzung scheint das jedoch nicht zuzutreffen. Denn obwohl bekannt ist, dass mit sinkender glomerulärer Filtrationsrate (GFR) und zunehmender Proteinurie das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten massiv ansteigt, sind Nierenkranke in der Diagnostik des akuten Koronarsyndroms eher unterrepräsentiert. Für den Mangel an Diagnostik macht Galle vor allem Unterschiede in der Klinik verantwortlich: „Bei fortgeschrittener Nierenkrankheit verläuft ein Infarkt deutlich symptomärmer, so wie wir das auch von Diabetikern kennen.“

Besonders deutlich ist dieser Unterschied bei Dialysepatienten, wie aus Daten eines US-amerikanischen Herzinfarktregisters hervorgeht. Bei 45% der Patienten wurde der Infarkt zur Zeit der Klinikaufnahme nicht diagnostiziert, von vergleichbaren nierengesunden Patienten wurden nur 21% nicht erkannt. Auch eine ST-Hebung war bei Dialysepatienten deutlich seltener vorhanden (19% vs. 36%). Umgekehrt traten ein Herzstillstand (11% vs. 5%) oder der Tod noch im Krankenhaus (21% vs. 12%) rund doppelt so oft auf wie bei Nierengesunden.

Galle mahnte deswegen, bei fortgeschrittener Nierenerkrankung die Indikation zur kardiovaskulären Abklärung „großzügig zu stellen“, also bei entsprechenden Hinweisen auch oligo- oder asymptomatische Patienten ggf. im Katheterlabor untersuchen zu lassen.

2. Werden zu diagnostischen Zwecken jodhaltige Kontrastmittel verabreicht, ist eine anschließende Dialyse mit dem Ziel der Nephroprotektion kontraindiziert.

„Die Dialyse zur Elimination von Kontrastmittel schützt nicht nur nicht vor einer kontrastmittelinduzierten Nephropathie, sie ist sogar schädlich“, betonte Galle. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit chronisch Nierenkranken führte die Dialyse zwar initial zu einer Absenkung des Serumkreatinins, nachfolgend stieg die Konzentration aber auf deutlich höhere Werte als bei Patienten ohne Blutwäsche. „Die Dialyse bedeutet eine zusätzliche Belastung der Nieren und ist deswegen kontraindiziert“, so Galle. Ausgenommen sind oligo- bis anurische Patienten: Bei ihnen soll durch die Dialyse nach Kontrastmittelexposition allerdings nicht einer Nephropathie, sondern einer osmotisch bedingten Volumenüberladung vorgebeugt werden.

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Herz und Nieren — der Zusammenhang wird oft vergessen.

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Zum Schutz vor kontrastmittelinduziertem Nierenversagen bleibt nur die Vorwässerung. Bei besonders gefährdeten Patienten, z. B. Diabetikern mit einer GFR < 30 ml/min, rät Galle zudem, einen Arzt zu wählen, der mit wenig Kontrastmittel auskommt, da es sich um eine Dosis-Wirkungs-Beziehung handelt. „Generell wird das Risiko einer kontrastmittelinduzierten Nephropathie aber eher überschätzt“, so der Nephrologe. Vor allem die intravenöse Kontrastmittelgabe sei mit einem geringen Risiko behaftet. Problematisch bleibe jedoch die intraarterielle Applikation, z. B. bei der Koronarangiografie. Bei Hochrisikopatienten für eine kontrastmittelinduzierte Nephropathie müsse man daher eine Güterabwägung treffen: „Bei einer vitalen Indikation für wird man die Kontrastmitteluntersuchung natürlich machen.“