_ Das Motto des diesjährigen Internistenkongresses lautete: Digitale Medizin — Chancen, Risiken, Perspektiven. Man hätte es auch anders formulieren können: Wie wird der Arzt überflüssig?

Aber ganz so mutig war man dann doch nicht. Aber es überraschte schon, wie weit man in Richtung „Medizin ohne Arzt“ mittlerweile gekommen ist: Fotofinder können Melanome zuverlässiger erkennen als das geschulte Auge des Dermatologen, bei der Beurteilung der Dignität eines Adenoms im Kolon ist das mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Endoskop ebenfalls treffsicherer, Algorithmen garantieren eher eine leitliniengerechte Therapie als das Gehirn des Arztes, und auch bei der Optimierung der diabetischen Stoffwechselkontrolle klappt es ohne Arzt meist besser.

Kurzum könnte man sagen: Das narzistisch geprägte Dogma der Unersetzlichkeit des Arztes ist gewaltig ins Wanken geraten. Für die einen eine Horrorvision, für andere ein Fortschritt verheißender Paradigmenwechsel. Der Streit um eine angemessene Vergütung, haftungsrechtliche Auseinandersetzungen und die immer wieder beklagte Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Medizin, das alles dürfte bald Schnee von gestern sein. Der digitale Arzt kennt keine Arbeitszeiten, ist rund um die Uhr verfügbar, macht keine Fehler und ermüdet auch nicht.

Nur einer will noch nicht so recht mitspielen. Das ist der Patient. Er steht ja bekanntlich im Mittelpunkt des Geschehens, dort stört er aber nur. Er erwartet nämlich Empathie und Zuwendung, Begriffe, die der digitalen Welt vollkommen fremd sind. Doch die Fortschritte in der Medizin werden dafür sorgen, dass das biologische Wesen, sprich der Mensch, zu einem Auslaufmodell wird. Die neue Krone der Schöpfung werden in absehbarer Zukunft elektronische Wesen sein. Dann passt wieder alles zusammen: Digitaler Arzt trifft auf digitalen Patienten, dem dank fehlender biologischer Bauteile sogar die Unsterblichkeit garantiert ist.