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_ KI wird die Arbeits- und Praxiswelt in den nächsten Jahren sicher grundlegend verändern. Doch während viele noch Mythen um den Cyber-Doc spinnen, ist im Poliklinischen Zentrum Berlin bereits seit Sommer 2018 ein elektronischer Kollege in einer anderen Position tätig: als Praxis-Helfer. Ein smarter Telefonassistent unterstützt die Mitarbeiter der Kinderabteilung bei telefonischen Anfragen. Dabei gehe es nicht darum, Personal einzusparen, sondern darum, die Mitarbeiter zu entlasten und einen Service für die Patienten zu bieten, berichtet der Pädiater und Praxisinhaber Dr. Turhan Keles.

Über 100 Patienten pro Tag

Die Kinderabteilung versorgt täglich über 100 Patienten — mit vier Ärzten, vier Medizinischen Fachangestellten (MFA) und drei Auszubildenden. „Durch den Telefonassistenten verschieben wir einen Teil der Kommunikation in die Mittagszeit“, sagt Praxismanagerin Ayse Yavuz. Früher, so berichtet sie, hatte sich ein Anrufbeantworter eingeschaltet, wenn die Leitungen überliefen. Doch die Patienten sprachen zu viel auf das Band.

Nun ist das alte System abgeschaltet, und die KI nimmt die Anrufe entgegen. Sie erfragt gezielt das Anliegen des Patienten. „Der Patient weiß: Ich muss genau diese Information weitergeben — und auch nur diese“, so Yavuz.

Erfasst werden von dem smarten Assistenten etwa Terminanfragen oder Wiederholungsrezepte. Er erfragt dabei z. B., um welches Medikament oder welche Beschwerden es sich handelt. Bei dringenden Anliegen wird direkt durchgestellt, ansonsten werden die Telefonate alle halbe Stunde nachgearbeitet.

Die MFA erhalten eine Übersicht mit der Telefonnummer und dem Anliegen des Anrufers in strukturierter Form. So lassen sich Patienten auch schnell mal per SMS benachrichtigen, wenn das Wiederholungsrezept abholbereit ist. Auch das geht direkt über den KI-Assistenten. Das Nachbearbeiten dauert laut Yavuz im Schnitt zwei Minuten pro Anruf — mit dem alten Anrufbeantworter dauerte es mindestens fünf.

Zweisprachige Version kommt

Da die Praxis viele türkischsprachige Patienten betreut, wird derzeit eine zweisprachige Version des Telefonassistenten getestet. Der Anbieter der Software, das Berliner Start-up Aaron.ai, arbeitet dabei eng mit dem Praxisteam zusammen. Patienten sollen auf Deutsch und auf Türkisch begrüßt werden und dann wählen können, in welcher Sprache sie den Dialog weiterführen wollen.

Bei den Patienten kommt der Service gut an. „Wir haben schon viele Komplimente bekommen, weil immer jemand ans Telefon geht und wir die Patienten anschließend zurückrufen“, berichtet Yavuz. Terminwünsche müssen allerdings noch von Hand in den elektronischen Terminkalender der Praxis eingegeben werden. Künftig soll es aber auch hier eine direkte Verknüpfung geben. Allerdings würden es die Hersteller von Praxisverwaltungssystemen neuen Anwendungen nicht immer leicht machen, wie Aaron.ai-Geschäftsführer Richard von Schaewen, bemängelt.

Als weiteres Projekt hat das Berliner Start-up geplant, mit den ärztlichen Bereitschaftsdiensten zusammenzuarbeiten. Damit würde die Notfallerkennung ein weiteres Element des KI-gestützten Telefonassistenten werden.