_ Engpasssyndrome entstehen, wenn in anatomischen Engstellen Druck auf dort verlaufende Nerven ausgeübt wird. Typischerweise kommt dies in fibroossären Kanälen vor — Paradebeispiel Karpaltunnel. Im fortschreitenden Alter entwickeln sich langsam progredient Ablagerungen an Sehnen, die zu Schwellungen und Reizzuständen führen. Dies kann zu erhöhtem Druck auf die Nerven und zu Irritationen führen, erklärte Dr. Dominik Bender, BG-Unfallklinik Tübingen.

Klinisch unterscheidet man bei Nervenkompressionssyndromen vier Stadien: Im Stadium I treten nur Parästhesien, evtl. auch Schmerzen auf. Charakteristisch für das Karpaltunnelsyndrom ist die für den Patienten sehr belastende Parästhesia nocturna, ein „Einschlafen“ des Daumens, Zeigefingers und Mittelfingers. Die Beschwerden beruhen darauf, dass im Schlaf die Flexoren überwiegen, sodass der Druck im Karpaltunnel steigt.

figure 1

Zu wenig Platz für den Nervus medianus?

© VOISIN / PHANIE / Science Photo Library (Symbolbild mit Fotomodell)

Druckhöhe und Kompressionsdauer entscheidend

Im Stadium II besteht bereits ein leichtes sensibles Defizit, im Stadium III ein sensibles und motorisches Defizit und das Stadium IV ist gekennzeichnet durch Muskelatrophien und fehlende Stimulierbarkeit in der Elektroneurografie. Der Schweregrad hängt von der Höhe des Drucks und der Dauer der Kompression ab. Schon ein Anstieg um 30 mmHg kann den venösen Fluss im Epineurium zu Erlahmen bringen, ein Anstieg um 60–80 mmHg führt zur intraneuralen Stase. Dauert die Kompression nur kurz, wie z. B. bei traumatischen Kompressionssyndromen, ergeben sich daraus bei sofortiger Versorgung kaum Folgen.

Am meisten müssen sich Ärzte jedoch mit idiopathischen Kompressionssyndromen beschäftigen, bei denen der Druck auf den Nerven allmählich ansteigt und länger anhält. Bei der klinischen Untersuchung kann man durch Kompressionstests gut erkennen, ob der Nerv gereizt ist. Man übt an der Engstelle Druck aus und kann damit Kribbelparästhesien induzieren. Ähnlich funktioniert das Hoffmann-Tinel’sche Zeichen. Palpiert man die Engstelle, gibt der Patient elektrisierende Missempfindungen an. Patienten sprechen oft von „einschießende Stromschlägen“. Mit der 2-Punkte-Diskrimination lässt sich das Ausmaß eines eventuellen Nervenschadens grob abschätzen. Auch vegetativ-trophische Störungen, z. B. verminderte Schweißsekretion, sind ein Spätzeichen.

Die Elektroneurografie gibt Auskunft über den Funktionszustand des Nerven (Nervenleitgeschwindigkeit), den Ort der Schädigung, funktionelle Markscheidenläsionen und sie kann zwischen Kompressionssyndrom und Polyneuropathie unterscheiden.

Mit der Operation nicht bis zur Atrophie warten

In Frühstadien kann man konservativ vorgehen und z. B. den Patienten mit einer Nachtlagerungsschiene versorgen, die der nächtlichen Flexion der Hand gegensteuert. Die lokale Infiltration von Steroiden kann zwar Schwellungen zur Rückbildung bringen. Aber Bender sieht diese Maßnahme kritisch. Da der Karpaltunnel nicht sehr groß ist, besteht die Gefahr, dass man den Nervus medianus erwischt oder eine Sehne. „Eine Sehne, die relativ viel Cortison auf einmal abbekommt, verzeiht das nicht auf Dauer“, so Bender. „Wir raten eher zu einer operativen Dekompression.“ Die Indikation dafür sollte anhand der subjektiven Beschwerden gestellt werden. Wartet man mit der Operation zu lange, d. h. bis Nervenschäden und Muskelatrophie eingetreten sind, kann man keine Restitutio ad integrum mehr erwarten.

Die operative Entlastung des eingeklemmten Nervs erfolgt in Tübingen nur in Plexusanästhesie oder unter lokaler Betäubung. Auch multimorbide Patienten kommen so für den Eingriff in Betracht.