_ Ein junger Mann hatte sich für ein Tropentauglichkeitsattest angemeldet. Seiner Patientendatei konnte ich entnehmen, dass er Staatswissenschaften studierte, und so ging ich davon aus, dass dazu nun ein längerer Aufenthalt in einem Land tropischen Klimas gehörte. Das bestätigte er dann auch, nachdem ich ihn aus dem Wartezimmer zu mir aufgerufen hatte. Er würde nach einem dreimonatigen Vorbereitungsseminar für ein halbes Jahr ein „Praktikum“ in irgendeinem afrikanischen Entwicklungsland absolvieren.

Da er Untersuchung und Attest selbst bezahlen musste — schließlich ging es ja nicht um irgendeine Erkrankung —, fragte ich ihn vorher, ob er sicher sei, dass ausgerechnet er dieses Attest wirklich brauche. Er versicherte mir, dass er deshalb extra beim zuständigen Amt angerufen habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass keine Ausnahmen gemacht würden — ohne ärztliche Untersuchung und Bescheinigung dürfe niemand an diesem Programm teilnehmen.

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Dabei lächelte er breit, wobei seine weißen Zähne einen blendenden Kontrast zu seiner nahezu schwarzen Haut bildeten. Er war in Ghana geboren und aufgewachsen und erst mit 25 Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen. Bei solchen Gelegenheiten frage ich mich oft, welchen Eindruck unser Land und seine Gepflogenheiten wohl bei Menschen anderer Kulturen hinterlassen.