_ Gewalt gegen Ärzte ist bekanntlich „in Mode“ gekommen. Ein häufiger Anlass ist, dass der Patient etwas verlangt, das wegen der zunehmenden Verweigerungshaltung der Kassen nicht möglich ist. Den Frust bekommt aber nicht die Kasse, sondern der Vertragsarzt ab.

Beispiele gibt es viele. Der eine erhält nicht die Reha- oder Kurmaßnahme, die er gerne hätte. Der nächste will ein Aut-idem-Kreuz auf seinem Rezept, weil er die Arzneimittel, die der Apotheker abgegeben hat, angeblich nicht verträgt. Wieder ein anderer hat nicht den Pflegegrad erhalten, den er haben wollte. All das fällt in der Regel auf den Hausarzt zurück — obgleich der am wenigsten für solche Missstände verantwortlich ist.

Tab. 1 Wann man sich von einem Patienten trennen kann
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Muss ein Patient längere Zeit im Wartezimmer verharren, weil der Patientenansturm zu Grippezeiten hoch ist, oder bekommt er keinen Termin bei einem Facharzt, zu dem er eine Überweisung erhalten hat, bekommt auch das grundsätzlich der Hausarzt zu spüren. Aggression ist dabei zunehmend an der Tagesordnung.

Was aber kann man gegen aggressive Patienten tun, die mit ihrem rücksichtslosen Verhalten darüber hinaus auch noch die vielen ganz normalen Praxisbesucher belasten?

MMW-KOMMENTAR

Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, wann man als Vertragsarzt einen Patienten ablehnen kann, ist der Behandlungsvertrag. Der existiert zwar in der Regel nicht in Schriftform, kommt aber automatisch schon bei einem mittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt zustande, z. B. im Rahmen einer telefonischen Beratung. Grundlage ist der § 630a Abs. 1 BGB. Dieser „Vertrag“ gilt bei GKV-Versicherten und bei Privatpatienten in gleicher Weise.

Bereits hier entsteht die erste Form einer Ablehnungsmöglichkeit, wenn es um neue Patienten geht, nämlich wenn die Praxis längst die Kapazitätsgrenze überschritten hat, bis zu der noch eine verantwortungsbewusste Behandlung gewährleistet ist. Es gibt nämlich grundsätzlich keine allgemeine Behandlungspflicht, ausgenommen natürlich in medizinischen Notfallsituationen. Dies wiederum ist im § 323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung) und im § 7 Abs. 2 Satz 2 der Musterberufsordnung geregelt. Dabei sind nicht nur lebensbedrohliche Zustände gemeint, sondern auch Fälle, die einer sofortigen medizinischen Intervention bedürfen. Verpflichtend sind auch dann allerdings nur unaufschiebbare Maßnahmen — was darüber hinausgeht, kann wiederum abgelehnt werden.

Etwas anders ist es bei Bestandspatienten, weil mit ihnen ein solcher fiktiver Behandlungsvertrag schon länger besteht. Hier kommen die Regelungen im § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V zum Tragen. Vertragsärzte sind demnach zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet. Nach § 15 Abs. 1 SGB V handelt es sich dabei um eine ärztliche Sachleistung der GKV. Vertragspartner sind trotzdem immer Patient und Arzt und nicht etwa die Krankenkasse.

Ein Vertragsarzt kann deshalb eine Behandlung immer dann ablehnen, wenn triftige Gründe vorliegen, welche dies rechtfertigen. § 13 Abs. 7 Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) regelt z. B. ganz konkret: „Der Vertragsarzt ist berechtigt, die Behandlung eines Versicherten, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, abzulehnen, wenn dieser nicht vor der Behandlung die elektronische Gesundheitskarte vorlegt.“ Ausgenommen ist natürlich auch hier wieder der Notfall! Ein bestehender Behandlungsvertrag kann ansonsten nach § 627 BGB jederzeit sofort und grundlos gekündigt werden, allerdings nicht im laufenden Quartal.

Eine Behandlungspflicht ergibt sich allerdings aus dem Vertragsarztrecht und führt dazu, dass man doch einen triftigen Grund zur Vertragskündigung haben muss. Beispielhaft kann dies der Fall sein, wenn ärztliche Anordnungen missachtet werden, Beleidigungen oder gar Bedrohungen vorliegen oder der Patient Behandlungsmethoden verlangt, die nicht indiziert und daher unwirtschaftlich sind. Auch wenn Patienten auf Sterbehilfe beharren oder einen Hausbesuch außerhalb des üblichen Praxisbereichs verlangen, obgleich andere Arztpraxen in näherer Umgebung vorhanden sind, ist dies ein Kündigungs- oder Ablehnungsgrund.

Wichtig ist, dass man die Vertragskündigung mit einer entsprechenden Begründung dem Patienten schriftlich übermittelt.