_ Mit erschreckenden hygienischen Verhältnissen wird man bei Hausbesuchen immer wieder konfrontiert. Unübertroffen bleibt allerdings die Behausung eines ehemaligen Knechts, der jahrelang von mir betreut wurde. Der Mann wurde in einem verfallenen Kotten hinter dem Hof seines ehemaligen Bauern geduldet.

Wenn ich mich durch den Matsch bis zum Eingang gekämpft hatte — ich fand zu dem Zeitpunkt Bodenfrost höchst angenehm, der ließ die Schuhe weniger leiden — und die windschiefe Dielentür geöffnet hatte, lag rechts die Toilette. Die ehemals vermutlich weiße Schüssel war außen und innen graubraun krustig belegt. Zur Spülung diente ein Wassereimer neben dem Klo. Eine Brille oder gar ein Deckel waren meiner Erinnerung nach nicht vorhanden.

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Die Trümmer eines Lebens.

© ysbrandcosijn / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Fließend Wasser gab es lediglich an einem Waschbecken in der Diele — kalt natürlich. In die Hauswand war ein Loch geschlagen, durch das das Abwasser direkt in die Natur entlassen wurde. Im Schlafzimmer stand ein Bett, dessen letzter Neubezug vermutlich vor Gründung der Bundesrepublik stattgefunden hatte.

Der Bewohner selbst saß stets in seinem Wohnzimmer auf einem abgewetzten Sofa, daneben ein bullernder Ofen, der tropische Temperaturen entwickelte. Stehen konnte ich dort nicht, zu niedrig waren die Decken eingezogen. Der Patient war ein einfacher, aber stets sehr freundlicher Mann. Ich bin nicht ungern zu ihm gefahren.

Ich habe mich immer bemüht, möglichst wenig anzufassen — bis zu dem Tag, an dem ich ihn ins Krankenhaus einweisen musste. Dass ich die Berührung seines Telefons ohne Infektion überlebt habe, grenzt an ein Wunder.

Aus dem Krankenhaus wurde er dann in ein Altenheim entlassen, sein „Haus“ kurz danach abgerissen.