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_ Ein zweijähriges Mädchen erkrankte im März 2010 an einer lymphatischen Leukämie, die als gut heilbar galt. Es wurde eine Chemotherapie begonnen, die die Eltern jedoch nach 9 Monaten abbrachen. Die Mutter — eine Ärztin — argumentierte damit, zu spüren, dass dem Kind die Chemotherapie nicht gut tue. Die Klinik gab eine Gefährdungsmeldung an die zuständige Behörde ab. Diese jedoch folgte der Argumentation der Mutter.

Ende 2010 kam es zu einem Rezidiv. In einer anderen Klinik wurde den Eltern wieder dringlich eine Therapie ans Herz gelegt, was diese jedoch erneut ablehnten. Wieder erhielt die Behörde eine Gefährdungsmeldung und hielt es nicht für nötig, einzuschreiten. Die Klinik legte Einspruch ein und wurde dann in einen sechs Monate dauernden Instanzenstreit verwickelt, der klären sollte, ob sie dazu überhaupt berechtigt sei.

Währenddessen ließen die Eltern das Kind alternativmedizinisch behandeln. Erst als sich die Situation wieder zuspitzte, wurde das Kind erneut in die Universitätsklinik eingewiesen, die umgehend eine intensive Therapie einleitete. Doch das Mädchen verstarb schon nach wenigen Tagen an einer Pilzsepsis.

Behördenversagen besiegelt das Todesurteil

Bei einem 12-jährigen Jungen, ebenfalls mit akuter lymphatischer Leukämie, lief die Therapie zunächst wie geplant. Nach 4 Monaten bat die Mutter, den nächsten Chemotherapiezyklus zu modifizieren, weil sie die abschließende Lumbalpunktion als zu invasiv empfand. Die Ärzte willigten ein. Kurz darauf wollte sie den nächsten Zyklus wegen einer Reise in die USA verschieben. Diese sollte zu einer Spezialistin führen, die die seelischen Probleme des Jungen angehen sollte. Man gab auch diesem Wunsch statt mit der Maßgabe, sich sofort nach der Rückkehr zum nächsten Zyklus zu melden.

Zurück kam der Junge in einem Rezidiv. Als man der Mutter eröffnete, dass die Heilungschancen damit auf 80% gesunken waren, wollte sie gar keine Therapie mehr. Die Gefährdungsmeldung der Klinik an die Behörde wurde damit beantwortet, dass die Ärzte nicht berechtigt seien, in das Sorgerecht der Mutter einzugreifen. Der Vater hätte die Therapie unbedingt gewollt, hatte aber kein Sorgerecht. Kurz danach starb der Junge in der Klinik. In seiner Todesanzeige stand: „Er ist seinen Weg gegangen“.

Kinderschutz schlägt Elternrechte

Das A und O, um solche Fälle zu verhindern, ist eine intensive Aufklärung in eingehenden Gesprächen. Mehr als drei Kernbotschaften sollte man nicht hineinpacken. Sagen Sie den Eltern nicht, dass sie sich melden sollen, wenn Sie Fragen haben, sondern vereinbaren Sie gleich einen zweiten Gesprächstermin, um Raum für Rückfragen zu geben.

Fast alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Weltanschauliche, religiöse, ethnische Gründe können dahinter stecken, wenn das Beste nicht von der Schulmedizin erwartet wird. Dann kann es sich lohnen, eine Respektsperson hinzuzuziehen, z. B. einen Pfarrer, Rabbi oder Imam. Schwieriger ist es, wenn esoterische, schwer fassbare Gründe gegen die Schulmedizin vorgebracht werden. Da ist argumentativ meist nicht viel zu machen.

Klar ist, dass eine schulmedizinische Therapie nur dann gerichtlich erzwungen werden kann, wenn das Leben des Kindes bedroht ist. Dann wiegt das Wohl des Kindes mehr als die Elternrechte.