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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, München

_ Für eine Analyse wurden die Daten von 38.229 Patienten jenseits des 65. Lebensjahres (im Mittel 77) betrachtet, die zwischen 2012 und 2015 in einer von 44 Allgemeinpraxen betreut wurden. Jedes Jahr wurden 10–15% der Probanden mindestens einmal stationär aufgenommen. Die Daten stammten aus dem von der irischen Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin akkreditierten Datenbanksystem, getrennt für ambulante und stationäre Behandlung.

Für die Beurteilung der medikamentösen Therapie diente die vielfach validierte STOPP-Liste, in der für ältere Patienten 45 inadäquate Verordnungen aus diversen Fachgebieten aufgelistet sind. Sie enthalten etwa Verordnungen, die nach Art, Dosis und Dauer sowie nach Indikation für Senioren ungeeignet sind. Beispiele sind Schleifendiuretika bei Knöchelödem ohne Herzinsuffizienz oder bei Hypertonie, Betablocker bei COPD, nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) bei Niereninsuffizienz, Loperamid und Codein bei schwerer infektiöser Gastroenteritis oder Benzodiazepine für länger als vier Wochen.

Die jährliche Inzidenz inadäquater Verordnungen während der ambulanten Betreuung lag zwischen 45% und 51%. Es war also etwa jeder zweite Patient betroffen. Die häufigsten Einzelfehler waren Protonenpumpenhemmer bei unkompliziertem peptischem Ulkus oder erosiver Ösophagitis in voller Dosis für mehr als acht Wochen, Benzodiazepine für länger als vier Wochen und Hypnotika wie Zolpidem und Zopiclon für länger als vier Wochen.

Wurde ein Patient stationär eingewiesen, stieg die Rate inadäquater Verordnungen noch einmal um 24 Prozentpunkte, sodass die Rate nach dem Klinikaufenthalt sogar 72% erreicht.

KOMMENTAR

Mit dem Alter nimmt die Zahl der Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen zu, und damit auch der Bedarf an Arzneimitteln für Therapie und Symptomlinderung. Dabei ist die Zahl inadäquater Verordnungen bei alten Patienten erschreckend hoch. Das mag auch an den teils sehr strengen Kriterien der STOPP-Liste liegen. Doch sind diese validiert und korrelieren nach mehreren Studien gut mit den Morbiditäts- und Mortalitätsraten.

Bemerkenswert ist, dass die Fehlverordnungen während der stationären Aufnahme weiter ansteigen. Den Kliniken möchte man das Potenzial zu besserer Krankenversorgung zuschreiben, doch es kommt zu inadäquater Medikalisierung. Ein häufiger Fehler, die zu lange Dauer der Medikamentengabe, führt zur Empfehlung: Nicht nur verordnen, auch rechtzeitig wieder absetzen!