_ Um die Versorgung und Therapieadhärenz von HIV-Patienten zu untersuchen, haben HIV-Therapeuten und Epidemiologen um Melanie Stecher von der Universitätsklinik Köln Daten der Studie „Klinische Surveillance der HIV-Erkrankung“ (ClinSurv HIV) analysiert. Diese multizentrische, prospektive Langzeitbeobachtungskohorte mit HIV-Positiven wird seit 1999 am Robert-Koch-Institut in Berlin durchgeführt. 15 Kliniken und Schwerpunktpraxen nahmen daran teil. Derzeit sind mehr als 25.300 Datensätze verfügbar, von denen mehr als 11.800 in der aktuellen Studie berücksichtigt wurden.

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Wird er compliant sein?

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Zwei Drittel starteten die Behandlung innerhalb von sechs Monaten

Die Wissenschaftler prüften, wie gut die Adhärenz für die deutsch-österreichischen Empfehlungen zum Beginn der antiretroviralen HIV-Therapie über die Jahre war. Die Studienpopulation bestand hauptsächlich aus Männern (79,3%), die zum Zeitpunkt des ersten Arztbesuches im Zusammenhang mit der HIV-Infektion median 37 Jahre alt waren. 65% der Teilnehmer starteten die HIV-Therapie innerhalb von sechs Monaten, 7% innerhalb von einem Jahr und 5% innerhalb von 18 Monaten. Bei knapp 40% der Patienten bestand das Therapieregime aus nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI), Proteasehemmern (PI) und einem Booster, bei 36,2% aus NRTI und Nicht-NRTI sowie bei 8,7% aus NRTI plus Integrasehemmer. Zwischen 1999 und Mitte 2016 starben 5,5% (n = 639) der Teilnehmer.

Lange wurde diskutiert, wann der günstigste Zeitpunkt für den Therapiebeginn ist. Die Ergebnisse der START-Studie (Strategic Timing of Antiretroviral Therapy) sprechen dafür, die HIV-Therapie sofort nach der Diagnose zu beginnen, unabhängig von der Höhe der CD4-positiven Zellen im Blut.

Therapiebeginn immer früher

Die Wahrscheinlichkeit für einen Therapiebeginn bei HIV-Infizierten war generell umso geringer, je höher die CD4-Zellzahl war. So war die Chance für die HIV-Therapie bei einer Zellzahl ≥ 500/μl um 63% geringer als bei einer Zellzahl < 200/μl. Entsprechend den jeweils gültigen Leitlinien war die Wahrscheinlichkeit für einen frühen Therapiebeginn bei HIV-Diagnose von 2008–2014 (+ 29%) und von 2015–2016 (+ 44%) signifikant höher als bei Erstdiagnose vor 2001.

Risikofaktoren für schlechte Adhärenz

Stecher und Kollegen untersuchten zudem, wodurch eine schlechte Adhärenz begünstigt wurde. Sie stellten fest, dass der Therapiebeginn zwischen 2002 und 2014 deutlich später lag als in jüngster Zeit (2015–2016). Auffallend war auch, dass Patienten zwischen 18 und 39 Jahren eher später mit der antiretroviralen Therapie begannen als ältere. Teilnehmer, die i.v. Drogen gebrauchten, und Patienten im klinischen CDC-Stadium A oder B — also noch ohne Aids-definierende Erkrankungen wie Toxoplasmose-Enzephalitis oder CMV-Retinitis — verzögerten den Beginn der HIV-Therapie. Frauen sowie Patienten aus Asien, Australien und Neuseeland starteten die Therapie dagegen früher.

Bessere Therapie — höhere Adhärenz

Seit 2008 nahm die Adhärenz konstant zu — von 55% auf 94% im Jahr 2015. Dies deute darauf hin, dass HIV-Infizierte inzwischen stärker gewillt sind, sich leitliniengemäß behandeln zu lassen. Offenbar sei das Bewusstsein gewachsen, dass Therapieleitlinien nützlich sind. Auch verbesserte Therapien durch neue Integrase- und Proteasehemmer trage zu einer höheren Compliance nicht zuletzt unter den Therapeuten bei.