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Was ist gestern Nacht passiert?

© Ismailciydem / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

_ Ein 25-jähriger Patient stellt sich an einem Samstagvormittag wegen seit einer Stunde anhaltenden starken Thoraxschmerzen in der Notaufnahme vor. Am Abend zuvor hatte er rund 2 Liter „Energy Drinks“ gemischt mit Alkohol getrunken. Daraufhin hatte er mehrmals (25-mal in 3 Stunden) stark erbrochen, ohne Blutbeimengungen. Die Einnahme von Drogen wird glaubhaft verneint. Der retrosternal lokalisierte Thoraxschmerz hatte während des Erbrechens eingesetzt, er strahlte nicht aus und es bestand auch keine Dyspnoe. Der Patient war sportlich aktiv, aber Raucher, und es bestand eine positive Familienanamnese bzgl. KHK. Vor einem Jahr war eine essenzielle Hypertonie diagnostiziert worden. Diese war mit einem ACE-Hemmer gut eingestellt.

EKG: ST-Hebungsinfarkt im Vorderwandbereich

Das sofort abgeleitete EKG zeigte eine ST-Strecken-Hebung in den Ableitungen I, aVL und V1–V4 mit ST-Streckensenkungen in den korrespondierenden Ableitungen V6 und den dorsalen Ableitungen. An der Diagnose „akuter ST-Hebungsinfarkt im Vorderwandbereich“ bestand damit keinerlei Zweifel, und es wurde sofort eine Koronarangiografie durchgeführt.

Dabei ergab sich für die Ärzte an der kardiologischen Klinik in Köln-Porz ein überraschender Befund. Es fand sich nämlich eine Dissektion im Bereich der proximalen LAD mit begleitender Okklusion. Es wurden zwei medikamentenfreisetzende Stents (DES) implantiert. Eine KHK konnte ausgeschlossen werden. Insgesamt lag die door-to-ballon-time unter 30 Minuten. Nach der Stentimplantation war der Patient sofort vollkommen beschwerdefrei.

Seltene Infarktursache

Die Koronardissektion ist eine sehr seltene Ursache für einen Myokardinfarkt. Sie sollte aber gerade bei sehr jungen Patienten als Auslöser diskutiert werden. Bisher sind in der Literatur nur neun Fälle in Zusammenhang mit dem Genuss von Energy Drinks beschrieben. Dabei stellt sich die Frage: Ist das Erbrechen als Infarktsymptom zu sehen, also die Folge der spontanen Dissektion, oder hat das starke Erbrechen durch den damit verbundenen intrathorakalen Druckanstieg erst die Dissektion verursacht?

Koffein ist der Übeltäter

Energy Drinks sind bei Jugendlichen sehr beliebt: 73% aller 15- bis 18-Jährigen und 53% der 18- bis 29-Jährigen konsumieren solche Getränke regelmäßig, im Durchschnitt 2 l pro Monat. Nicht selten kommt es auch zu Exzessen. Die Getränke enthalten neben Zucker, Taurin, Guarana, Ginseng und Vitamin B auch Koffein, was Leistungsfähigkeit und Konzentration verbessern soll. Der zusätzliche Genuss von Alkohol verstärkt die Koffein-Wirkung, da dieser die Ausscheidung des Koffeins stört.

Koffein entfaltet ungünstige Wirkungen an den Koronargefäßen. Es erhöht die Freisetzung von Kalzium-Ionen in der glatten Gefäßmuskulatur und verhindert die Wiederaufnahme von Kalzium in das sarkoplasmatische Retikulum, führt also zu einer Vasokonstriktion. Darüber hinaus blockiert es die Adenosin-A2-Rezeptoren in den Endothelzellen der Koronararterien und hemmt so die vasodilatierende Wirkung von Adenosin. Und schließlich wird durch Koffein die Katecholaminfreisetzung verstärkt mit der Folge, dass die alpha-adrenergen Rezeptoren vermehrt stimuliert werden, was ebenfalls zu einer Vasokonstriktion führt.

Erst Vasospasmus, dann Dissektion

Was die Pathogenese des Infarkts bei dem oben dargestellten Patienten betrifft, so sind die Autoren der Meinung, dass es durch die massive Zufuhr von Koffein zunächst zu einem Vasospasmus gekommen ist. Durch das heftige Erbrechen mit dem resultierenden starken intrathorakalen Druckanstieg dürfte es dann in dem besagten Koronargefäß zu einer Dissektion gekommen sein.