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_ Dass das in LDL-Partikeln enthaltene Cholesterin (LDL-C) kausal an der Entstehung einer Atherosklerose beteiligt ist, ist unter Experten mittlerweile unumstritten. Die Reduktion des im Blut zirkulierenden LDL-C gilt als eines der bedeutsamsten Therapieziele in der kardiovaskulären Prävention.

Neben der bloßen Menge an Cholesterin muss es aber noch weitere Faktoren geben, die Menschen für eine koronare Herzerkrankung prädisponieren. Denn selbst wenn sich der LDL-C-Wert beispielsweise durch eine Statintherapie normalisieren lässt, bleibt ein gewisses „Restrisiko“. Was könnte noch eine Rolle spielen, ob ein Mensch einen Herzinfarkt entwickelt oder nicht?

Trotz niedriger LDL-C-Spiegel bleibt ein „Restrisiko“

Finnische Wissenschaftler um Dr. Maija Ruuth haben nun eine entscheidende Entdeckung gemacht: Es gibt Eigenschaften der Low-Density-Lipoproteine, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Und diese Merkmale scheinen den Ausschlag zu geben, ob die Partikel in den Arterienwänden Aggregate bilden — die ersten Anzeichen einer Atherosklerose.

Herausgefunden haben die Wissenschaftler das, als sie LDL-Partikel aus Blutproben von Probanden früherer Studien isoliert und deren Aggregations-Fähigkeit ex vivo untersucht haben. Dafür versetzten sie die Partikel-Suspensionen mit einer rekombinanten Version der sekretorischen Sphingomyelinase. Durch die Verdauung der Partikel begünstigt das Enzym deren Aggregation.

Partikel neigen bei manchen Menschen zur Aggregation

Dabei stellte sich heraus, dass LDL-Partikel, die aus dem Blut von Patienten stammten, die aufgrund einer koronaren Herzerkrankung verstorben waren, deutlich schneller aggregierten als die Partikel von Probanden, die im Studienverlauf keine weitere kardiovaskuläre Erkrankung mehr entwickelt hatten. Zudem waren die nach zwei Stunden zu sehenden LDL-Aggregate sowohl bei den verstorbenen KHK-Patienten als auch bei Patienten mit stabiler KHK größer als bei gesunden Probanden.

Grund für diese unterschiedliche Aggregations-Neigung war die Zusammensetzung der Lipoproteine. LDL-Partikel, die zur Aggregation neigten, enthielten mehr Sphingomyelin (SM) und Ceramide und weniger Phospholipide (Phosphatidylcholin [PC] und Lipophosphatidylcholin) sowie Triglyzeride (TAG) als solche, die keine Aggregate bildeten.

Partikelzusammensetzung als neuer Risikofaktor

„Der Cholesteringehalt von LDL-Partikeln ist womöglich nur die ‚Spitze des Eisberges‘ in der LDL-assoziierten Pathophysiologie“, kommentierten Prof. Ulrich Laufs und Prof. Oliver Weingärtner die aktuellen Ergebnisse in einem Editorial. Die Aggregations-Fähigkeit der Partikel könnte nach ihrer Auffassung einen weiteren Faktor darstellen, mit dem sich die Progression der Atherosklerose vorhersagen lässt.

Ernährung und PCSK9-Inhibitoren wirken

Die gute Nachricht: Die Partikeleigenschaften lassen sich beeinflussen und könnten somit ein interessanter Ansatzpunkt für neue Therapien darstellen.

Zum einen scheint die Ernährung eine Rolle zu spielen. So ließ sich die Aggregations-Neigung der LDL-Partikel durch eine hohe Vitamin-E-Zufuhr und geringe Zucker-Aufnahme senken, was die Wissenschaftler an Blutproben von Teilnehmern einer Ernährungsstudie belegen konnten. Ebenfalls zu einer Abnahme der Aggregations-Neigung führte eine Behandlung mit PCSK9-Inhibitoren.

Auch drei experimentelle Ansätze waren im Mausmodell erfolgreich (Injektion großer PC-haltiger Vesikel, pharmakologisch induzierte Erhöhung von SM und genetisch getriggerter Anstieg mehrfach ungesättigter Cholesterinester und TAG). Alle drei Maßnahmen bewirkten neben der Abnahme der Partikel-Aggregation auch einen Rückgang der Atherosklerose, ohne dabei die Cholesterin-Konzentration im Blut der Mäuse zu erniedrigen.