_ Bei mir hat’s natürlich gleich geklickt. Da kommt eine junge Frau namens Lara Antonia in die Praxis, und in meinem Kopf geht sofort das Kino an. Winter, erster Weltkrieg, russische Revolution — Schicksalsjahre, im Großen wie im Privaten. Mittendrin Lara, gespielt von Julie Christie, und (An)tonya, gespielt von Geraldine Chaplin. Die beiden sind die Frauen im Leben von Dr. Schiwago, gespielt von Omar Sharif.

Ich erinnere mich noch, als der Film in den Sechzigerjahren in die Kinos kam. Die Kartenabreißerin in unserem Kleinstadtkino beklagte sich nach der 20. Vorführung, dass die Titelmelodie sie als Ohrwurm heimsuchte. Selbst der Graupapagei des Nachbarn konnte den Song mit Text und Melodie wiedergeben.

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Omar Sharif und Julie Christie in „Doktor Schiwago“ (1965).

© United Archives / IFTN / picture alliance

Ich rechnete mir aus, dass zwei Menschen dieser Film so sehr und nachhaltig beeindruckt hatte, dass sie ihre Tochter Lara Antonia nannten. Ich sprach sie natürlich sofort darauf an — und hatte tatsächlich Recht gehabt. Dann aber brach das Schicksal auch über uns herein: Es ging ins Labor. Eine Blutentnahme war fällig, und Lara Antonia nahm bei diesem Gedanken schon die Farbe einer sibirischen Winterlandschaft an.

Musik hilft hier immer, dachte ich, und stimmte mit meiner Assistentin „Lara’s Theme“ an. „Weißt du, wohin die Träume all entfliehn / die unerfüllt an dir vorüberziehn?“, sangen wir wie weiland Karel Gott, auch wenn wir den kompletten Text nach all den Jahren nicht mehr zusammenbekamen.

Jedenfalls ist Lara Antonia an dem Tag nicht umgekippt. Als ich sie zum Abschied noch fragte, wie ihr der Film überhaupt gefalle, sagte sie: „Ich kenne den gar nicht.“ Na toll, dachte ich mir. Und dafür hatte ich jetzt auf Tage hinaus einen Ohrwurm.