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Braucht die Patientin ihre Psychopharmaka noch?

© sturti / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

_ Psychopharmaka stehen auf der Wunschliste der Hausärzte für Substanzen, die sie gerne absetzen möchten, ganz oben. Darin spiegelt sich die Angst vor etwaigen Nebenwirkungen wie QTc-Zeit-Verlängerung, Sturzneigung und Demenz, letztere vor allem bei trizyklischen Antidepressiva. Experten raten, die Indikation immer wieder zu überprüfen und eventuell einen Absetzversuch zu wagen. „Das lohnt sich immer“, so Prof. Klaus Hager vom Zentrum für Medizin im Alter am Diakovere Henriettenstift in Hannover.

Altersleiden Depression

Depressionen sind die häufigsten affektiven Störungen im Alter. Bei einer leichten Depression zeigt die medikamentöse Therapie im Vergleich zu Placebo nur eine geringe Wirkung, sodass man durchaus auf ein Antidepressivum verzichten kann. Bei einer mittelschweren bis schweren Depression sind jedoch Antidepressiva indiziert. Bei alten Patienten werden SSRI wie Citalopram, Escitalopram und Sertralin empfohlen.

Antidepressiva ausschleichen

Doch darf man Antidepressiva auch mal wieder absetzen? „Ja, aber nicht zu früh und nicht zu schnell“, so Hager. Zu frühes Absetzen erhöhe das Rezidivrisiko. Empfohlen wird daher, das Antidepressivum 4–9 Monate über die Remission hinaus zu geben. Das Absetzen sollte ausschleichend über 4 Wochen erfolgen. Dabei kann es allerdings zu einem Absetzsyndrom kommen, das über 1–2 Wochen anhält und mit vielerlei Symptomen einhergeht. Dazu gehören Unruhe, Übelkeit, Schlafstörungen und grippeähnliche Symptome. Bei einem leichten Absetzsyndrom kann man zuwarten und den Patienten beruhigen. Bei starken Symptomen muss man das Antidepressivum wieder ansetzen und dann später langsamer über einen längeren Zeitraum erneut ausschleichen.

Nebenwirkungen der Neuroleptika

Neuroleptika werden bei betagten Patienten vor allem bei demenzbedingten Verhaltensauffälligkeiten verordnet, v. a. bei aggressivem herausforderndem Verhalten und Schlafstörungen. Auch diese Medikamente gehen mit einer Reihe von Nebenwirkungen einher, insbesondere extrapyramidal-motorischen und kognitiven Störungen sowie Verlängerungen der QTc-Zeit, sodass ein Absetzversuch sinnvoll ist. Auch hier empfiehlt sich allmähliches Ausschleichen mit einer Dosisreduktion von 25–50% innerhalb von 1–2 Wochen, sodass man insgesamt 4 Wochen benötigt. Sollte der erste Absetzversuch nicht erfolgreich sein, sollte man einen erneuten Versuch nach 3 Monaten wagen.

Absetzphänomene bei Benzodiazepinen

Eine besondere Herausforderung ist das Absetzen von Benzodiazepinen oder Z-Substanzen. Sie werden nicht nur bei Angst- und Erregungszuständen, sondern vor allem als Schlafmittel eingesetzt. „Das Problem ist die rasche Toleranzentwicklung“, so PD Felix Wedegärtner von der psychiatrischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Eine Langzeiteinnahme betrifft besonders ältere multimorbide Patienten.

Gefürchtet sind die ausgeprägten Absetzphänomene bis hin zum Delir. Sie erfordern ein stufenweises Vorgehen. Bevor man beginnt, sollte man den Patienten auf Oxazepam umstellen. Diese Substanz hat keine aktiven Metaboliten und eine mittelange Halbwertszeit, sodass das Absetzen gut steuerbar ist. Ein Umsetzen auf alternative nicht-abhängigmachende Schlafmittel ist meist nicht erfolgreich oder nicht unproblematisch. „Pregabalin macht ebenfalls abhängig und kann deshalb nicht empfohlen werden“, so Wedegärtner.